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    | Über die Ursachen der Hyperkinetischen Störung
      ist seit der ersten umfassenden Beschreibung der Symptome durch George
      F. Still vor rund einem Jahrhundert viel gerätselt und geforscht
      worden. Dabei standen über die Jahre wechselnde Aspekte der
      Verhaltensstörung im Mittelpunkt. Bereits Still ging jedoch davon aus,
      dass es sich bei der von ihm in Universitätsvorlesungen dargestellten
      Symptomatik um die Folgen einer Besonderheit des Gehirns handelte.
      Was er in der Fachsprache seiner Zeit einen "Defekt der moralischen
      Kontrolle" nannte, konnte er anhand von 43 Fällen - in der Mehrzahl
      Jungen - verdeutlichen: Verweigerungshaltung, extreme Emotionalität,
      eingeschränkte Daueraufmerksamkeit und ungenügendes regelgeleitetes
      Verhalten. Bei der Auswahl der Kinder hatte er streng darauf geachtet,
      dass sie weder geistig behindert waren noch aus chaotischen oder lieblosen
      Familienverhältnissen stammten. Still folgerte daraus, dass das
      auffällige Verhalten der beobachteten Kinder nicht durch die Umgebung
      hervorgerufen worden sein könne, sondern einer mangelnden Entwicklung der
      willentlichen Hemmung des Verhaltens entspringe. Für diese ungenügende
      Kontrolle machte er noch unbekannte hirnorganische Defizite
      verantwortlich. (1)
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      "[...] the control of activity in conformity
      with moral consciousness is markedly defective." Still
      (1902)  | 
   
  
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      Der Stand der Forschung 2002
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    | Im folgenden finden Sie eine Beschreibung
      aktueller neurobiologischer Befunde zur Hyperkinetischen Störung. Die
      Darstellung stützt sich dabei im wesentlichen auf eine Übersichtsarbeit
      von Gunther Moll und Aribert Rothenberger, die 2001 in einem Sonderheft
      der Kinderärztlichen Praxis mit dem Titel "Unaufmerksam und
      hyperaktiv" veröffentlicht wurde. (2) Passagen, die über diese
      Quelle hinausgehen sind mit entsprechenden Literaturverweisen
      gekennzeichnet.
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      Genetik
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 Die Erbinformation
      lebender Zellen und Organismen - das sogenannte Genom - ist in
      der DNA (englisch: Desoxyribo-Nucleic- Acid) oder DNS (Desoxyribo-Nuklein- 
      Säure) enthalten. Der chemische Aufbau und die molekulare Struktur
      der DNA ist in allen Lebewesen identisch, gleichgültig ob es sich
      um Mensch, Tier oder Pflanze handelt. 
       Die DNA ist ein
      unverzweigtes Fadenmolekül mit einem Grundskelett aus Zucker und
      Phosphorsäure und vier verschiedene organische Basen. Diese
      "Buchstaben" stellen die Erbinformation dar. Die Erbinformation
      einer menschlichen Zelle besteht aus ca. 3 Milliarden dieser Buchstaben,
      wobei jeweils eine Hälfte davon von der Mutter und vom Vater stammt.  | 
    Bis heute beruhen Annahmen zur genetischen
      Veranlagung von bestimmten Verhaltensweisen oder Krankheiten auf einer
      nicht immer tragfähigen Basis: einer  überzufällig häufigen
      Übereinstimmung von einzelnen Symptomen unter Verwandten  und/oder
      Trägern ähnlicher genetischer Besonderheiten. Variieren die Symptome mit
      den Genen, so geht man davon aus, dass die Gene zumindest einen Teil der
      Varianz erklären. Je schwächer der Zusammenhang ist, desto stärker
      werden die gleichen Symptome unterschiedlicher Menschen durch andere
      Faktoren beeinflusst.
       Dieses Modell ist durchaus überzeugend, sofern die Gene als Träger
      der Erbinformation das Leben tatsächlich auf immer gleiche Weise
      bestimmen. Um auszuschließen, dass bei vergleichbarer genetischer
      Ausstattung nicht die Umwelt - z.B. die Lebensbedingungen der prägenden
      ersten Lebensjahre - ein Symptom hervorgebracht hat, suchen
      Wissenschaftler daher nach Menschen, die bei möglichst gleichen Genen in
      unterschiedlichen Umwelten aufwuchsen. Im Idealfall handelt es sich dabei
      um  eineiige Zwillinge, die sich seit ihrer Geburt  getrennt voneinander
      entwickelten. Studien, die auf eine größere Gruppe separierter Zwillinge
      zurückgreifen können, sind sehr selten. Manche verblüffenden Befunde
      haben sich außerdem in der Vergangenheit als "frisiert" oder
      gar frei erfunden herausgestellt. (3) Dennoch geht man heute davon aus,
      dass rund 80% des für die Hyperkinetische Störung eigentümlichen
      Verhaltens auf die genetische Veranlagung eines Menschen zurückzuführen
      sind. Diese Zahl ist allerdings ein Schätzwert, der sich aus der
      Häufigkeit von betroffenen eineiigen Zwillingspaaren ergibt. Das heißt:
      von 10 Zwillingspaaren mit zumindest einem hyperkinetischen Kind wurde in
      8 Fällen auch beim Geschwisterkind eine Hyperkinetische Störung
      diagnostiziert. Daraus darf allerdings nicht der Schluss gezogen werden,
      dass die Symptome der betroffenen Kinder in ihrer Mehrzahl
      allein durch die genetische Veranlagung bedingt sind.  Gene sind lediglich
      ein Informationsmuster, aus dem heraus sich das Leben in  Wechselwirkung
      mit der Umwelt  entwickelt. Die Psyche und ihre Störungen sind das
      Resultat eines vielschichtigen Prozesses, bei dem die natürliche
      Grundlage der Hyperkinetischen Störung nur  ein  Faktor unter vielen ist.    | 
   
  
    | Einige Studien legen nahe, dass bestimmte Gene
      an der Ausbildung einer Hyperkinetischen Störung zumindest beteiligt
      sind. Dazu zählen nach derzeitigem Wissensstand v.a. das Dopaminrezeptor-D4-Gen
      sowie das Dopamintransporter-Gen. (4) Auch diese Befunde gelten
      jedoch nur unter Vorbehalt, denn sie geben gleichfalls statistische
      Zusammenhänge wieder, die nicht erkennen lassen, wie man sich eine
      störungsspezifische Ausprägung der genetischen Veranlagung sowie ihre
      Beeinflussung durch die Umwelt vorzustellen hat. Von einem Gentest der
      Hyperkinetischen Störung ist die Medizin sicher noch viele Jahre
      intensivster Forschung entfernt.
       Nicht zuletzt lässt das überzufällig häufige Auftreten
      verschiedener - mutmaßlich zumindest teilweise biologisch begründeter -
      Störungen des Lernens und Verhaltens in Verbindung mit der
      Hyperkinetischen Störung eine teilweise gemeinsame genetische Anlage
      annehmen. Doch auch hier gilt: Ähnliche oder gar gleiche Symptome
      können in den verschiedenen Kontexten ihres Auftretens unterschiedliche
      Ursachen haben. Kontext fasst dabei die jeweiligen Bedingungen
      zusammen - d.h. alleiniges Auftreten der Störung oder in Verbindung mit
      anderen Krankheiten, Auftreten an bestimmten Orten (Familie, Schule,
      Urlaub) oder generell, Auftreten v.a. unter Stress oder auch in Zeiten
      geringer psychischer Anspannung. So weisen Symptome der motorischen
      Unruhe oder auch der Unaufmerksamkeit auf zahlreiche ganz unterschiedliche
      denkbare Ursachen hin. Das gleiche gilt für das gemeinsame Auftreten von
      Symptomen verschiedener Störungen. Da mit Vorliegen einer
      Hyperkinetischen Störung die Wahrscheinlichkeit von Lern-
      und Leistungsstörungen deutlich steigt, erscheint es naheliegend,
      dass z.B. die Legasthenie einige ihrer Entstehungsbedingungen mit der
      Hyperkinetischen Störung teilt. Es könnte aber auch sein, dass ein
      wesentlicher Teil des Zusammenhangs auf das ungünstige Lernverhalten
      hyperaktiver Kinder zurückzuführen ist, die aus diesem Grund das Lesen
      und Schreiben nur sehr langsam erlernen und/oder ihre diesbezüglichen
      Bemühungen nach einigen deprimierenden Schuljahren ganz aufgeben. Gen-
      und Umweltwirkung können aus der Perspektive unseres heutigen Wissens
      nicht getrennt betrachtet werden. 
      Selbst die Abfolge des ersten Auftretens von Symptomen der
      Hyperkinetischen Störung lässt auf abweichende genetische Faktoren
      schließen. Treten beispielsweise Tics (vgl. Tourette-Syndrom)
      nach der Hyperaktivität auf, so handelt es sich wahrscheinlich um das
      gemeinsame Vorliegen getrennt zu sehender Störungen, während
      Hyperaktivität als (häufige) Folge einer Tic-Störung auf eine
      gemeinsame genetische Grundlage beider Symptomgruppen (Syndrome)
      schließen lässt. Aus der genetischen Disposition, d.h. der
      biologischen Ausstattung eines Menschen bei der Geburt, kann man seine
      Entwicklung nicht vorhersagen. Und das liegt nicht allein an unserem
      heute noch sehr begrenzten genetischen Wissen. Es ist ein Naturgesetz des
      Lebens, dass es nicht nach festen Plänen reift, sondern sich unter dem
      Einfluss der Umwelt entwickelt, um sich immer wieder neu an veränderte
      Bedingungen anpassen zu können.   | 
    Chromosomen
       Die DNA befindet sich in Chromosomen
      verpackt im Zellkern jeder Zelle und ist pro Zelle insgesamt etwa
      zwei Meter lang. 
      Die DNA mit ihrer Information wird
      nicht nur von Generation zu Generation vererbt, sondern muss auch bei
      jeder Zellteilung verdoppelt und an die Tochterzellen weitergegeben
      werden. 
      Die Erbinformation ist zwar in der
      Basenabfolge der DNA - den "Buchstaben" - gespeichert. Ihre
      Wirkung entfaltet sie jedoch nur in den Proteinen (Eiweiße). Auch
      Proteine sind Fadenmoleküle aus verschiedenen Bausteinen, den Aminosäuren,
      deren Reihenfolge die Eigenschaften des Proteins bestimmt. Mit Hilfe des
      sogenannten genetischen Codes - drei Basen der DNA entsprechen
      jeweils einer Aminosäure im Protein - wird die Basenabfolge der DNA auf
      die Abfolge der Aminosäuren im Protein übertragen. 
      Alle Unterschiede zwischen
      verschiedenen Tier- und Pflanzenarten, aber auch zwischen Lebewesen
      derselben Art beruhen auf immer gleich kodierten Unterschiedenen in den
      Proteinen, die wiederum in der Basenabfolge der DNA gespeichert sind.
      Dieser Vererbungsmechanismus ist die Grundlage aller Lebewesen auf diesem
      Planeten.  | 
   
  
    
       
      Evolution und Entwicklung
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    | Im Rahmen der Diskussion um die genetischen
      Grundlagen der Hyperkinetischen Störung ist seit dem Erscheinen des
      Buches Attention Deficit Disorder - A Different Perception (1993)
      des Amerikaners Thom Hartmann eine Auseinandersetzung darüber
      entstanden, ob die Defizite der Hyperkinetischen Störung als überkommene
      Vorteile einer früheren Zeit zu verstehen seien. Kurz gesagt nimmt der
      Autor - selbst Vater eines hyperaktiven Kindes - an, dass Gesellschaften
      der Frühzeit eine Unterscheidung in Jäger und Sammler kannten. Während
      das Wesen, das er den Sammlern unterstellt, dem umsichtigen Verhalten in
      modernen bürokratischen Industriegesellschaften entspreche, seien die
      hyperaktiven Menschen von heute Nachkommen der Jäger. (5) Nachdem das
      Buch in den USA große Popularität erreichte, haben amerikanische
      Psychiater die Theorien von Hartmann aufgegriffen und recht wohlwollend
      diskutiert. (6) Auch Moll und Rothenberger erwähnen diese Sichtweise in
      ihrem Artikel in der Kinderärztlichen Praxis.
       Ungeachtet des Umstandes, dass Hartmanns Idee einleuchtend ist und
      ihren Zweck, nämlich eine für (s)ein Kind verständliche Erklärung der
      Hyperkinetischen Störung und ihrer Folgen zu bieten, durch anschauliche
      Vergleiche erfüllt, ist die empirische Grundlage seiner Theorie dünn.
      Das gleiche gilt für die wissenschaftlich verbrämten Erläuterungen der
      amerikanischen Psychiater. So geht Hartmann von einer sehr
      bildhaft-konkreten Vorstellung frühgeschichtlicher Gesellschaften aus,
      für deren mutmaßliche Struktur wir kaum überlieferte Zeugnisse haben.
      Mehr noch: Selbst wenn damalige Jäger und Sammler tatsächlich so lebten,
      wie Hartmann sich das vorstellt, sind die beobachteten Defizite
      unaufmerksamer und hyperaktiver Menschen für die Jagd kein Vorteil.
      Dabei bleibt noch unberücksichtigt, dass die Zivilisationsgeschichte der
      vergangenen Jahrhunderte den Menschen vom Mittelalter ins
      Computerzeitalter katapultierte - mit vielfältigen Anpassungen unserer
      Wahrnehmung und Informationsverarbeitung an neue Umweltbedingungen. Es ist
      daher unverständlich, warum beispielweise die Intelligenzleistung der
      Menschen in den Industriegesellschaften, die auf vielfältigen und höchst
      komplizierten Prozessen im Gehirn beruht, seit Beginn der
      Intelligenzmessung von Generation zu Generation beständig ansteigt,
      während die Anpassung von "Jägern" an die seit der Antike
      bestehenden Schriftkulturen über mehrere tausend Jahre fehlgeschlagen
      sein soll. Angesichts der beim "normalen" Menschen
      hochadaptiven, d.h. auf eine stets verbesserte Umweltanpassung
      ausgerichteten Hirnfunktionen ist es einleuchtender, von einem -
      nichtsdestotrotz erblichen - Hirnfunktionsdefizit auszugehen, das seine
      Ursache gerade nicht in einem evolutionären, d.h. natürlich zu
      optimierenden Vorgang der Anpassung hat. 
         | 
     
      Wenn Sie bis hierher unvoreingenommen gelesen haben,
      hoffe ich, dass Sie sich inzwischen mit dem Gedanken angefreundet haben,
      dass ADD weder ein Mangel noch eine Störung ist. Es ist statt dessen eine
      ererbte Kombination von Fähigkeiten, Fertigkeiten und
      Persönlichkeitsmerkmalen, die einem Jäger, Krieger oder Fährtensucher
      zum Erfolg verhelfen und einen Farmer oder Buchhalter mit Sicherheit in
      die Katastrophe führen würden. 
      Thom Hartmann 
      ADD - Eine andere Art, die Welt zu sehen 
      Schmidt-Römhild (1997) S.43 
      Zur Kritik an Hartmanns Buch vgl. die Rezension  | 
   
  
     
      Ernst Haeckel 
      Zwölfter Vortrag. 
      Entwickelungsgesetze der organischen Stämme und
      Individuen. Phylogenie und Ontogenie (7) 
      Inhaltsverzeichnis: 
      Entwickelungsgesetze der Menschheit: Differenzierung und
      Vervollkommnung. Mechanische Ursache dieser Grundgesetze.
      Fortschritt ohne Differenzierung und Differenzierung ohne Fortschritt.
      Entstehung der rudimentären Organe durch Nichtgebrauch und Abgewöhnung.
      Ontogenesis oder individuelle Entwickelung der Organismen. 
      Allgemeine
      Bedeutung derselben. Ontogenie oder individuelle Entwickelungsgeschichte
      der Wirbelthiere, mit Inbegriff des Menschen. Eifurchung. Bildung der drei
      Keimblätter. Entwickelungsgeschichte d. Centralnervensystems, der
      Extremitäten, der Kiemenbogen und des Schwanzes bei den Wirbelthieren.
      Ursächlicher Zusammenhang und Parallelismus der Ontogenesis und
      Phylogenesis, der individuellen und der Stammesentwicklung. Ursächlicher
      Zusammenhang und Parallelismus der Phylogenesis und der systematischen
      Entwickelung. Parallelismus der drei organischen Entwickelungsreihen. 
         | 
    Seit der berühmten Aussage des
      Jenaer Arztes und Zoologen Ernst Haeckel, die Ontogenese sei eine
      Rekapitulation der Phylogenese, haben sich viele Wissenschaftler, darunter
      zahlreiche Psychiater und Psychologen, diese Sichtweise zueigen gemacht. Ontogenese, das ist die Seinswerdung des Menschen, das heißt seine
      Entwicklung von der ersten Zelle im Leib der Mutter bis zu seiner vollen
      Reife und zum Tod.  Phylogenese  ist demgegenüber die stammesgeschichtliche
      Entwicklung, also gewissermaßen der umgekehrte Stammbaum eines jeden
      Menschen bis in die Frühzeit der Menschheit und davor. Haeckel vertrat
      die Ansicht,  dass das Wachsen von Körper und Geist entsprechend den
      Stadien der Stammesgeschichte verlaufen  würde: die Eizelle entspräche
      dem Beginn des Lebens, der Fötus einem Tier, das Baby einem Menschen der
      Frühzeit, das Kind einem solchen der Steinzeit - und erst der erwachsene
      Mensch würde in seiner individuellen Entwicklung jenen Gipfel erreichen,
      den die Menschheit stammesgeschichtlich in den abendländischen
      Gesellschaften erreicht habe. (7) Obwohl Haeckel kein Vertreter der
      Darwin'schen Vorstellungen vom Sieg des Stärkeren in der
      Evolutionsgeschichte - der sogenannten "natürlichen Selektion"
      - war, wurde er von den Rassentheoretikern des Dritten Reiches
      vereinnahmt. Dennoch gab und gibt es auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch
      Theorien, die v.a. in der Entwicklung der Affekte sowie des Denkens an
      Haeckels Überlegungen anknüpfen. (8) Inzwischen sind die Ähnlichkeiten, aber auch die Unterschiede in der
      Entwicklung von Mensch und Menschheit anhand von vielen Details
      wissenschaftlich untersucht und dargestellt worden. Dabei hat sich für
      die Evolution gezeigt, was für die Sozialisation gilt:  Entwicklung ist
      ein Wechselspiel von Reifungsfaktoren und Umweltbedingungen.  Und das gilt
      sowohl für die "normale", d.h. allgemein übliche Entwicklung,
      als auch für die abweichende Entwicklung unter dem Vorzeichen einer
      Störung. Die Hyperkinetische Störung eines Menschen ist nicht
      unabhängig von seinem angeborenen Temperament zu begreifen. Sie kann in
      ihrer konkreten Symptomatik jedoch genauso wenig ohne Rückgriff v.a. auf
      die Entwicklungsbedingungen der Kindheit jedes einzelnen Menschen erklärt
      werden. Die Entwicklung eines Kindes beginnt nicht bei Null - die
      Stammesgeschichte des Menschen ist in jedem Stadium seines Wachsens
      umfassend gegenwärtig, ohne in allen Details nochmals durchlebt werden zu
      müssen oder gar für die Gegenwart stets entscheidend zu sein. In
      diesem Sinne zeigen sich bei der Hyperkinetischen Störung sowohl Entwicklungsverzögerungen
      als auch Entwicklungsabweichungen. So weisen EEG-Befunde auf
      Besonderheiten in den Frequenzbändern der Hirnströme hin. Die für das
      Alter der hyperaktiven Kinder zu hohen Anteile langsamer (Theta-)Wellen
      sind auch bei Kindern mit anderen externalisierenden, d.h. nach außen
      gerichteten, meist aggressiven Verhaltensweisen gefunden worden. Im
      Jugendalter konnte bei den Betroffenen jedoch kein Unterschied mehr zu den
      EEG-Befunden nicht verhaltensauffälliger Jugendlicher beobachtet werden.
      Grundlage dieser Entwicklungsverzögerung ist vermutlich eine späte
      Ausreifung sensorischer Systeme zur Reizweiterleitung und
      -verarbeitung bei Wahrnehmungsprozessen. Entwicklungsabweichungen fanden
      sich demgegenüber v.a. bei der frontalen, d.h. die vorderen Bereiche des
      Gehirns betreffenden Aktivität. Sie wurden jedoch nicht bei allen
      hyperaktiven Kindern beobachtet. Obwohl sie offenbar ohne erkennbaren Wert
      für die normale Hirnentwicklung sind, ist unklar, warum diese
      Abweichungen auftreten und inwieweit sie mit den Symptomen der
      Hyperkinetischen Störung zusammenhängen.  Wie im Fall der
      genetischen Disposition ist die Medizin von einer Diagnostik der
      Hyperkinetischen Störung anhand von physiologisch messbaren
      Entwicklungsdaten weit entfernt. Die Bedeutung des EEG im Zusammenhang mit
      der Störung liegt v.a. in der Diagnose einer Epilepsie, deren Behandlung
      wichtig ist und insbesondere für die medikamentöse Therapie der
      Hyperaktivität erhöhte Aufmerksamkeit verlangt.  | 
   
  
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      Neurophysiologie und Neuropsychologie
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      Endlich kann ich das Vergnügen haben, Ihnen einen
      Entwurf meiner Abhandlung: Über die Verrichtungen des Gehirns, und über
      die Möglichkeit, mehrere Fähigkeiten und Neigungen aus dem Baue des
      Kopfes und Schedels zu erkennen, mitzutheilen. Franz
      Joseph Gall 
      
      Brief an Joseph Freiherr von Retzer (1798) 
      Gall war der Begründer der Phrenologie, einer Lehre, die erstmals
      bestimmtes Verhalten in einzelnen Bereichen des Gehirns verortete.  | 
    Neurophysiologische Vorgänge sind Abläufe im
      Gehirn, die mit physikalisch messbaren Veränderungen einhergehen. Dazu
      zählen alle Formen der Hirnaktivität, die z.B. mit EEG
      (Hirnstrommessung) oder bildgebenden Verfahren (z.B. PET -
      Positronen-Emissions-Tomographie - eine Form der Computer-Tomographie)
      beobachtet werden können. Darüber hinaus soll in diesem Abschnitt auch
      kurz auf untersuchte Abweichungen der Hirngestalt, also auf
      unterschiedliche Größen und Formen bestimmter Bereiche des Gehirns
      eingegangen werden, da auch sie neurophysiologische Informationen
      darstellen. Bereits seit mehr als 20 Jahren werden Forschungen
      angestellt, die abweichende Hirnstrukturen bei Vorliegen eines
      Hyperkinetischen Syndroms zeigen sollen. Tatsächlich sind solche Befunde
      beschrieben worden: im Bereich der vorderen Großhirnrinde, des Corpus
      callosum (Balken, der beide Seiten der Großhirnrinde miteinander
      verbindet), des Nucleus caudatus (Teil des Striatums, das für die
      Steuerung des Bewegungsapparates wichtig ist) sowie des Kleinhirns.
      Die bisherigen Erkenntnisse sprechen für eine abweichende Entwicklung des
      Gehirns bei hyperkinetischen Menschen. Allerdings waren die untersuchten
      Patientengruppen aufgrund von Aufwand und Kosten der dazu eingesetzten
      bildgebenden Verfahren i.d.R. sehr klein. Ob der meist verminderten
      Ausdehnung bestimmter Hirnstrukturen im Fall von an der Hyperkinetischen
      Störung leidenden Kindern tatsächlich eine auch im Erwachsenenalter
      nachweisbare systematische Abweichung in der Hirnentwicklung zugrunde
      liegt, ist noch offen. Der Umstand, dass viele Steuerungsfunktionen - z.B.
      nach Schädigung von Arealen durch Unfälle - durch andere, ursprünglich
      nicht dafür gebrauchte Bereiche des Gehirns übernommen werden können,
      zeigt, wie groß gerade die ortsübergreifende Wandlungsfähigkeit des
      menschlichen Gehirns ist. Insbesondere im Kindes- und Jugendalter, das
      sich durch eine besonders intensive (Um-)Strukturierung von Hirnfunktionen
      auszeichnet, sind derartige Größen- und Formbefunde häufig nicht stabil
      oder stehen trotz Stabilität in keinem festen Zusammenhang mit bestimmten
      Verhaltensweisen.    | 
   
  
    | Neben den Informationen über die Größe und
      Form verschiedener Hirnareale, die an lebenden  Menschen i.d.R. nur
      durch bildgebende Verfahren gewonnen werden können, sind für die
      Hyperkinetische Störung vor allem physiologische Daten interessant. Diese
      kann man heute gleichfalls durch bildhafte Aufnahmen des Gehirns erheben,
      aber beispielsweise auch durch die Messung von Hirnströmen, Hautleitfähigkeit,
      Herzschlag oder Reaktionszeiten. Interessant sind solche
      Ergebnisse, weil Impulsivität, hyperkinetisches Verhalten und Defizite in
      der Aufmerksamkeitskontrolle auf abweichende Steuerungsfunktionen
      hinweisen, die möglicherweise nicht nur im Alltag beobachtbar sind,
      sondern von der Mehrheit der Betroffenen unter immer gleichen Bedingungen
      stets wieder gezeigt werden. In diesem Fall müsste man von
      einer generellen Beeinträchtigung der Exekutiven Funktionen ausgehen
      - jener Steuerungsprozesse, die im Frontalhirn, d.h.  in der vorderen
      Großhirnrinde angesiedelt sind.
       Ein solches generelles Selbststeuerungsdefizit wurde bereits von Still
      1902 angenommen, der erkannt hatte, dass das Verhalten der von ihm
      beschriebenen Kinder dem von Unfallopfern mit Schädigungen bestimmter
      Bereiche des Gehirns ähnlich war. (1, s.o.) Gerade diese Ähnlichkeit
      führte schließlich dazu, der Störung selbst den  Namen Minimal Brain
      Damage (Minimaler Hirnschaden) bzw. später auch Minimale
      Cerebrale Dysfunktion zu verleihen. Das "minimal" trug
      dabei dem Umstand Rechnung, dass man diesen mutmaßlichen Schaden bzw. die
      vermutete falsche Funktion einzelner Bereiche des Gehirns nicht messen und
      daher auch nicht beweisen konnte. Die modernen computerberechneten
      Aufnahmen von Hirnschichten erlauben es heute jedoch, die vor rund hundert
      Jahren erstmals diskutierten physiologischen Grundlagen der Störung
      abzubilden. 
      Im Mittelpunkt steht dabei die Verminderte Aktivität in Bereichen des
      Frontalhirns sowie der Basalganglien, zu denen Striatum (u.a. mit dem
      Nucleus caudatus), Pallidum, Substantia nigra und der Nucleus
      subthalamicus zählen. Während das Frontalhirn für die Exekutiven
      Funktionen verantwortlich ist, steuern die Basalganglien v.a. die
      motorischen Prozesse, wobei den inhibitorischen, d.h. das Verhalten
      hemmenden Funktionen des Dopamin-Stoffwechsels hier eine entscheidende
      Rolle zukommt. Aus vielen Studien nicht allein zum Hyperkinetischen
      Syndrom wissen wir, dass insbesondere das Striatum über den Botenstoff
      Dopamin bei der Ausbildung von Erkrankungen der Bewegungsabläufe
      beteiligt ist, so u.a. auch beim Morbus Parkinson, verschiedenen Formen
      der Chorea ("Veitstanz") oder sogenannten Dyskinesien durch die
      neuroleptische Behandlung von Schizophrenien. Da der Dopamin-Stoffwechsel
      auch die Aktivität des Frontalhirns beeinflusst, zeigen
      neurophysiologische Studien bei Hyperkinetikern eine Minderdurchblutung
      dieses für die Exekutiven Funktionen zuständigen Hirnareals, während
      der sensomotorische Kortex, der in der Hirnrinde Bewegungsinformationen
      verarbeitet, eher zu stark und diffus durchblutet zu sein scheint. Die
      Beziehung zwischen der Aktivität in einzelnen Bereichen v.a. des
      Frontalhirns einerseits und hyperkinetischem Verhalten andererseits
      variiert jedoch zwischen den Geschlechtern und ändert sich während der
      Entwicklung vom Kindes- ins Erwachsenenalter. (9) Die geringere
      Aktivität des Frontalhirns und die damit verbundene Einschränkung der Exekutiven Funktionen bringt im Alltag eine Reihe von kognitiven Defiziten
      mit sich. Insbesondere der amerikanische Neuropsychiater Russel A. Barkley
      hat sich der Beschreibung dieser Mängel angenommen: Beeinträchtigung des
      Arbeitsgedächtnisses, Behinderung der bewussten Handlungsplanung
      und -steuerung, eingeschränkte Selbstregulation von Stimmung,
      Motivation und Erregung sowie eine reduzierte Rekonstitutionsfähigkeit,
      d.h. eine verminderte Fähigkeit zur Analyse und Neuordnung
      vielschichtiger Strukturen und Abläufe. (10) Klinische Beobachtungen
      haben dabei ergeben, dass sich die Defizite in den Exekutiven Funktionen
      vor allem in Stresssituationen zeigen, die angesichts komplexer, schwer zu
      durchschauender Aufgaben mit mehreren zu beachtenden Aspekten
      Hyperkinetikern die Steuerung der Aufmerksamkeit sowie die Kontrolle des
      eigenen Verhaltens erschweren. Wissenschaftler vermuten daher, dass eine
      spezifisch verminderte Fähigkeit zur Fokussierung, d.h. Konzentration der
      Hirnaktivität auf bestimmte Aspekte einer Situation nicht nur die
      Aufmerksamkeit belastet, sondern insbesondere eine zielgerichtete Hemmung
      der Motorik verhindert.  Zusammenfassend deuten die aktuellen
      neurophysiologischen und neuropsychologischen Befunde auf eine Einheit von
      abweichender Ausbildung einzelner Hirnareale, grundsätzlicher
      Mindererregung des frontalen Kortex sowie nicht hinreichender
      situationsabhängiger Aktivierung von Hirnfunktionen bei Vorliegen einer
      Hyperkinetischen Störung hin. Inwieweit diese besondere physiologische
      Disposition der betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen auf stabile
      genetische Ursachen zurückzuführen oder aber durch Einflüsse der
      Umwelt v.a. in der Kindheit veränderbar sind, bleibt weitgehend
      ungeklärt. Im Rahmen umfassender neuer Erkenntnisse über die Entwicklung
      des Gehirns zeichnet sich jedoch ein übergreifendes Verständnis von
      Anlage und Prägung ab. Abhängig von einem Ausgangsniveau der
      Selbstregulation, die man als das angeborene Temperament bezeichnen kann,
      kommt Umweltbedingungen wie Reizüberflutung und v.a. ungenügend
      strukturiertem elterlichem Erziehungsverhalten ein erheblicher
      verstärkender Einfluss auf die Ausbildung abweichender Hirnfunktionen
      zu.   | 
     
      Die
      Resultate der Münchener  Gruppe
      zeigten aber nicht nur die Störung der Dopamin- 
      Transporter, sondern belegten erstmals in vivo und intraindividuell bei
      Patienten  mit ADHS, dass der
      gestörte Stoffwechsel durch Methylphenidat korrigiert wird: Unter Gabe
      von 3 x 5  mg täglich fand
      sich nach vier Wochen bei allen Patienten eine deutliche Reduktion der
      Dopamintransporter- 
      Konzentrationen, die bereits unter dieser niedrigen Dosis im Mittel sogar  niedriger
      lagen als beim Kontrollkollektiv. Bei Normalpersonen  konnten
      Volkow et al. in einer PET- Untersuchung mit [C-11]Cocain  gleichfalls
      eine Abnahme der Dopamintransporter unter Methylphenidat nachweisen.
      Zusammenfassend bestätigen diese neuesten SPECT-Untersuchungen die
      Vermutung, dass bei der ADHS  eine
      spezifische Störung des Dopamin- 
      Systems im Striatum vorliegt,  die
      sich durch Einnahme von Stimulanzien korrigieren lässt. 
      Klaus-Henning
      Krause, Stefan Dresel & Johanna Krause 
      Neurobiologie der Aufmerksamkeitsdefizit-/ 
      Hyperaktivitätsstörung 
      In: Psycho 26 (2000) S.204 
      
      
       
     | 
   
  
    
       
      Hirnstoffwechsel - Dopamin und Noradrenalin
     | 
   
  
    | Die größte öffentliche Aufmerksamkeit auf der
      Suche nach den Ursachen der Hyperkinetischen Störung gilt derzeit dem
      Stoffwechsel im Gehirn, hier insbesondere dem oben bereits angesprochenen
      Neurotransmitter Dopamin. Neurotransmitter sind Botenstoffe,
      die im Gehirn für die Kommunikation zwischen den Gehirnzellen, den Neuronen,
      sorgen. Sie werden im Körper selbst hergestellt und sind am
      Informationsaustausch innerhalb des gesamten Nervensystems beteiligt. Das
      Dopamin gehört zu einer Gruppe von Aminen, die Catecholamine genannt
      werden und u.a. die Aktivierung des Zentralnervensystems bewirken. Es wird
      über ein Zwischenstadium aus Tyrosin, einer natürlichen Aminosäure
      hergestellt, und ist seinerseits die Vorstufe von Noradrenalin und
      Adrenalin. Dopamin ist zudem entscheidend für die Steuerung von
      Bewegungsabläufen.
       Eine Reihe von aufwendigen wissenschaftlichen Untersuchungen hat in den
      letzten Jahren gezeigt, dass Erwachsene, die Symptome der Hyperkinetischen
      Störung zeigen, eine um ca. 70% erhöhte Zahl an Dopamintransportern im
      Striatum aufweisen. (9) Das Striatum gehört wie die Substantia nigra, dem
      Produktionsort des Dopamin im Gehirn, zu den Basalganglien (s.o.). Da die
      Dopamintransporter für den Rücktransport von Dopamin aus dem Spalt
      zwischen zwei miteinander verbundenen Nervenenden verantwortlich sind und
      durch ihre Häufigkeit die Reizweiterleitung beeinflussen können, wurde
      vermutet, dass dieser Überschuss an Dopamintransportern die
      Aktivierung des Frontalhirns behindert. Wird nämlich das freie
      Dopamin im Spalt zu schnell wieder abtransportiert, kann nicht genug
      Dopamin am anderen Ende des Spaltes an die nächste Zelle andocken und sie
      aktivieren. Für diese Dopaminmangelhypothese spricht auch die
      Wirkung der gängigsten Medikamente gegen die Hyperkinetische Störung,
      der Psychostimulanzien. Der weilweit am häufigsten eingesetzte
      Wirkstoff Methylphenidat (u.a. Ritalin bzw. Medikinet) sorgt zwar zu
      10-15% dafür, dass mehr Dopamin in den Spalt abgegeben wird, wirkt aber
      zu 85-90% über die Blockade des Dopamintransporters, wodurch der
      Botenstoff  länger im Spalt verbleibt und wirken kann. 
      Erst jüngst haben die Studien von Gunther Moll und Kollegen am
      Göttinger Universitätsklinikum Hinweise darauf erbracht, dass
      möglicherweise keine pauschale Untererregung des Nervensystems durch
      Dopaminmangel die Hyperkinetische Störung kennzeichnet, sondern vielmehr
      eine übermäßige Ausbildung des dopaminergen Systems. (11) Moll und
      seine Mitarbeiter interpretieren die erhöhte Anzahl an
      Dopamintransportern nicht als Hinweis auf eine unnormal starke
      Rücktransportaktivität, sondern nehmen einen natürlichen
      Zusammenhang zwischen der Dichte des dopaminergen Systems und der
      Häufigkeit der für dieses System notwendigen Transporter an. Ein
      solcher Zusammenhang wird durch tierexperimentelle Befunde gestützt, bei
      denen - entsprechend der Untersuchungen von Dresel und Kollegen an
      Menschen (9) - Ratten Methylphenidat verabreicht wurde. Allerdings
      unterschieden die Wissenschaftler der Göttinger Forschergruppe zwischen
      kindlichen, pubertären und erwachsenen Tieren, denen sie zu
      unterschiedlichen Zeiten das Medikament verabreichten. Dabei beobachteten
      sie, dass allein die Medikamenteneinnahme im "Kindesalter" zu
      einer bleibenden Verringerung der Dopamintransporter führte, während die
      Effekte der medikamentösen Behandlung nach der Geschlechtsreife
      der Tiere mit Absetzen des Methylphenidats verschwanden. Da die Dichte des
      dopaminergen Systems bis zum Jugendalter im Rahmen der Hirnentwicklung
      zunimmt, sich dann aber wieder verringert, schlossen Moll und Kollegen aus
      ihren Beobachtungen, dass die Behandlung der kindlichen Tiere die
      übermäßige Ausbildung des dopaminergen Systems behinderte. Die
      geringere Dichte bedurfte schließlich nurmehr einer dauerhaft kleineren
      Zahl an Transportern. Demnach würde die erhöhte Anzahl an
      Dopamintransportern beim Vorliegen einer Hyperkinetischen Störung weniger
      auf einen Mangel als vielmehr auf einen Dopaminüberschuss zumindest
      in einzelnen Bereichen des Gehirns hinweisen. 
      Über die Interpretation der Göttinger Befunde ist seit 2001 heftig
      gestritten worden. Die pauschale Kritik, die zunächst v.a. an der kleinen
      Zahl untersuchter Tiere geübt wurde, wird der Untersuchung jedoch nicht
      gerecht, zumal sich bei weiteren Studien in Göttingen und anderen Labors
      eine Bestätigung der Ergebnisse abzeichnet. Insbesondere ein Vertreter
      der Göttinger Forschergruppe, der Neurobiologe Gerald Huether, hat nach
      Veröffentlichung der ersten Befunde mit klinisch überzogenen Aussagen
      Furore gemacht, indem er vor einer Parkinsongefahr bei mit
      Methylphenidat behandelten Kindern warnte, deren dopaminerges System sich
      unter Medikation möglicherweise nicht genügend ausbilden würde. (12)
      Während dieses Risiko gegenüber den aktuellen, nicht selten
      existenziellen Problemen hyperaktiver Kinder jedoch eher akademischer
      Natur ist, da für die Erkrankung am Morbus Parkinson weitere Faktoren
      eine Rolle spielen, wirft die Dopaminüberschusshypothese neue Fragen auf.
      Diese Fragen betreffen nicht zuletzt wiederum die Wirksamkeit der
      medikamentösen Behandlung, die ja vorderhand das im Spalt zwischen
      bestimmten Nervenzellen verfügbare Dopamin durch die Psychostimulanzien
      weiter vermehrt wird, obwohl bereits eine übermäßige Ausbildung des
      dopaminergen Systems gegeben ist. 
      Eine eindeutig zu beweisende Antwort darauf steht noch aus. Im Rahmen
      des derzeitigen Wissensstandes scheint es jedoch denkbar, dass eine generelle
      Übererregung einzelner Hirnareale die hohe Ablenkbarkeit hyperkinetischer
      Menschen bedingt, während die Dauererregung zugleich die Aktivierung
      hemmender Strukturen wie der Exekutiven Funktionen im Frontalkortex
      blockiert. Die Wirkung der stimulierenden Medikamente würde in diesem
      Fall durch das Überschreiten eines Schwellenwertes erreicht, wodurch es
      auf der Basis des Dopaminüberschusses zu einem vollständigen Verbrauch
      bzw. der Auflösung des Dopamins im Spalt kommen würde. Da gleichzeitig
      der Rücktransport des Dopamins durch die Blockierung der
      Dopamintransporter verhindert ist, muss erst wieder neues Dopamin gebildet
      werden, um das frühere (störungsspezifisch überhöhte) Erregungsniveau
      wiederherzustellen. Dieser Vorgang dauert ungefähr so lange wie die
      Wirkdauer des Methylphenidats angegeben wird: 2 bis 4 Stunden. 
         | 
    
         
      Erst in den letzten zehn Jahren ist es den
      Hirnforschern und Entwicklungspsychologen vor allem mit Hilfe der
      sogenannten bildgebenden Verfahren gelungen nachzuweisen, welch
      nachhaltigen Einfluss frühe Bindungserfahrungen darauf haben, wie und
      wofür ein Kind sein Gehirn benutzt, welche Verschaltungen zwischen den
      Milliarden Nervenzellen deshalb besonders gut gebahnt und stabilisiert und
      welche nur unzureichend entwickelt und ausgeformt werden. Dieses Wissen
      beginnt erst jetzt allmählich unter Kinderärzten, Psychiatern und
      Erziehern Verbreitung zu finden. Bis es in alle Schichten der Bevölkerung
      und zu allen Eltern vorgedrungen ist, werden wohl noch ein paar Jahre
      vergehen. 
      Nicht viel anders verhält es sich mit der zweiten
      wichtigen Erkenntnis, dass die frühkindlichen Bindungen nur der erste
      Schritt eines langen und komplizierten Sozialisationsprozesses sind. Im
      verlauf dieses Prozesses lernt jedes Kind, sein Gehirn auf eine bestimmte
      Weise zu benutzen. Beispielsweise indem es dazu angehalten, ermutigt oder
      auch gezwungen wird, bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten stärker zu
      entwickeln als andere, auf bestimmte Dinge stärker zu achten als auf
      andere, bestimmte Gefühle her zuzulassen als andere. Kinder, die in
      unterschiedlichen Kulturen aufwachsen, erwerben dabei z.T. sehr
      unterschiedliche kulturell tradierte Fähigkeiten. Die Kinder der
      eingeborenen des amazonischen Regenwaldes lernen auf diese Weise bis zu
      einhundert verschiedene Grüntöne zu unterscheiden und die der Inuit im
      nördlichen Polarkreis ein Dutzend verschiedene Formen von Schnee
      auseinanderzuhalten. Auch unsere Kinder erwerben im Verlauf dieses
      Prozesses all jene Fähigkeiten und Fertigkeiten, auf die es eben für das
      Leben in unserem Kulturkreis ganz besonders ankommt. Dadurch werden auch
      die dabei immer wieder aktivierten neuronalen Verschaltungen stärker und
      intensiver benutzt, ausgebaut und entwickelt. 
      Gerald Hüther & 
      Helmut Bonney 
      Neues vom Zappelphilipp 
      Walter (2002) S.43f.
        
    
  | 
   
  
     
      Es erstaunt, welch skurrile und vor allem einen
      Wirknachweis schuldig bleibende Verfahren zum Einsatz kommen und Eltern
      sehr viel Geld aus der Brieftasche locken, wie zum Beispiel Bachblüten,
      Edu-Kinesiologie, verschiedene Eliminationsdiäten, Horchtherapien,
      Blicktherapien und Übungsprogramme wie mit dem »Brain-Boy«. Allen
      diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie dem Wunschdenken vieler Menschen
      entsprechen, dass alles ganz einfach ist und dass man nur das Richtige
      üben muss. Erfahrungsgemäß ist jedoch die Biologie eine sehr komplexe
      und komplizierte Materie. 
      Götz-Erik Trott 
      Pillen für den Zappelphilipp? Medikation - Ritalin und andere
      Medikamente 
      In: ADS: verstehen - akzeptieren - helfen (vgl. 14 S.271f.)  | 
    Ein weiterer Neurotransmitter, der unter
      Medizinern im Verdacht steht, an der Symptomatik der Hyperkinetischen
      Störung beteiligt zu sein, ist das Noradrenalin, auch Norepinephrin
      genannt. Es ist wie das Dopamin ein Catecholamin, d.h. ein Produkt der
      Biosynthese aus dem natürlichen Amin Tyrosin. Die noradrenerge Aktivität
      im Gehirn geht vom Locus coeruleus aus, einer grau pigmentierten
      Zellgruppe im Boden des IV. Ventrikels. Das noradrenerge System wirkt wie
      das dopaminerge System v.a. aktivierend (steigert u.a. den Puls), jedoch
      z.T. in anderen Regionen der Großhirnrinde sowie des Kleinhirns. Die Befunde zur Bedeutung des Noradrenalins in der Verursachung der
      Hyperkinetischen Störung lassen noch  keine eindeutige Funktion dieses
      Botenstoffs  erkennen. Aufmerksam wurde die Medizin auf das Noradrenalin,
      weil die Behandlung von hyperkinetischen Patienten mit Antidepressiva
      bisweilen Erfolge zeigte. Zum Einsatz kamen dabei
      Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Reboxetin - Markenname ® Edronax),
      Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Venlafaxin - Markenname
      ® Trevilor) sowie Medikamente, welche die Monoaminooxidase, einen
      Catecholaminabbauprozess, verhindern (u.a. Moclobemid - Markenname ®
      Aurorix). Keiner dieser Wirkstoffe hat sich jedoch als nur
      näherungsweise so effektiv in der Behandlung des Hyperkinetischen
      Syndroms erwiesen wie Methylphenidat. (13) Dass die Beeinflussung
      des noradrenergen Systems derzeit so stark diskutiert wird, hängt weniger
      mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammen als vielmehr mit dem
      gesellschaftspolitischen Interesse, das der medikamentösen Behandlung
      von hyperkinetischen Kindern derzeit entgegengebracht wird. Hierbei geht
      es vor allem um den Einsatz des Amphetaminderivats Methylphenidat (®
      Ritalin bzw. ® Medikinet), dem v.a. in der Boulevardpresse trotz
      gegenteiliger Forschungslage ein Suchtpotential unterstellt wird. (14)
      Manche Pharmafirmen, aber v.a. viele pseudotherapeutische Schulen und
      Sektenunternehmen versuchen, aus der Diskussion Kapital zu schlagen und
      meist in ihrer Wirksamkeit zweifelhafte oder gar schädliche
      "Naturheilmittel" und Psychotechniken als geeignete Therapien zu
      verkaufen. Ob die insbesondere vom Pharmakonzern Lilly betriebene
      Konzentration auf das noradrenerge System mit der intensiven
      Neuvermarktung einer bereits seit Jahren bekannten Substanz (Atomoxetin -
      Markenname ® Tomoxetin) tatsächlich einen bedeutenden neuen Bereich der
      wissenschaftlichen Betrachtung und medikamentösen Therapie der
      Hyperkinetischen Störung erschließen wird, ist allerdings fraglich. (15)  | 
   
  
     | 
    
       
      Immunsystem und komorbide Störungen
     | 
   
  
     
      Bei einem Vortrag des Kinderschutzbundes höre ich
      von der referierenden Ärztin zum ersten Mal etwas von der
      Phosphatempfindlichkeit und dem Verhalten dieser Kinder. Ich gehe mit
      beiden Buben zu dieser Ärztin, und wir beginnen mit der Umstellung der
      Ernährung. [...] Wir leben alle mit der Ernährungsumstellung, zunächst
      ohne Erfolg. Nach einem Vierteljahr tritt bei E. eine Besserung ein, er
      wird etwas ruhiger, die Schrift wird besser, er liest sogar über einen
      längeren Zeitraum hinweg ein Buch. Etwa ein halbes Jahr nach der
      Einführung der phosphatarmen Ernährung zeigen sich auch bei S. erste
      Erfolge, die Schulleistungen werden sehr viel besser. Ein Lehrer sagt zu
      ihm: »Sind Sie ein fauler Hund gewesen!« Unsere Nahrungspalette ist
      inzwischen extrem eingeschränkt, wir müssen zusätzlich Vitamine,
      Kalzium etc. einnehmen. Einige Verhaltensauffälligkeiten bleiben dennoch
      unverändert: Impulsivität, Verständnis- und Wahrnehmungs-
      schwierigkeiten bleiben bestehen, aber außer in Streßsituationen sind
      sie deutlich ruhiger geworden. 
      Johanna Krause 
      Leben mit hyperaktiven Kindern. 
      Piper/C&H (1995) S.94f. 
      (aus dem Kapitel: 
      Werdegang dreier hyperaktiver Kinder)  | 
    Über viele Jahre standen Reaktionen des
      Immunsystems im Verdacht, die Hyperkinetische Störung auszulösen.
      Vorreiter dieser Bewegung war der amerikanische Arzt und Allergologe Benjamin
      Feingold, der in den 1970er Jahren mit Veröffentlichungen über eine
      spezielle Diät, die Feingold-Diät, berühmt wurde. 1976 wurde die
      Feingold Association of the United States (FAUS) gegründet, die
      bis heute Tausende von Mitgliedern, v.a. Familien mit hyperaktiven
      Kindern, repräsentiert. Der zunächst erhobene Anspruch, die
      Hyperkinetische Störung allein durch allergische Immunreaktionen auf
      bestimmte Nahrungsmittel und Ergänzungsstoffe (u.a. Phosphate) erklären
      und mit dem Verzicht auf solche Nahrungsbestandteile behandeln zu können,
      wurde in späteren Jahren jedoch aufgegeben. 1980 wurde in Deutschland die
      Phosphatliga gegründet, die zunächst primär den Ideen Feingolds
      verpflichtet war. Bereits 1987 erfolgte jedoch die Umbenennung in Arbeitskreis
      Überaktives Kind (AÜK), da man rasch erkannte, dass die
      Phosphat-Theorie zu kurz griff und eine Diät nur bei einem Teil der
      entsprechend ernährten Kinder eine Symptomverringerung brachte.
      Nichtsdestotrotz werden Ernährungseinflüsse auf die Symptomatik der
      Hyperkinetischen Störung noch immer diskutiert und Diäten v.a. in
      populären Erziehungsratgebern zum Thema angepriesen. (16)
       Obwohl die Symptome der Hyperkinetischen Störung, insbesondere die
      Hyperaktivität, durchaus Ähnlichkeit mit Verhaltensweisen bei
      allergischen Reaktionen haben, konnte bislang ein systematischer
      Zusammenhang der Verhaltensstörung mit Allergien oder der
      Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel nicht nachgewiesen werden. Da
      in den letzten Jahren (auto-)immunologische Vorgänge im menschlichen
      Körper als Faktoren bei der Entstehung von Zwangs- und Ticstörungen
      identifiziert wurden, ist es allerdings nicht gänzlich auszuschließen,
      dass in den nächsten Jahren auch im Fall der Hyperkinetischen Störung
      Infekte bzw. durch diese provozierte Immunreaktionen als Faktoren
      ermittelt werden. Es erscheint jedoch auch für die Zukunft
      unwahrscheinlich, dass einzelne Ursachen für das vielschichtige
      Störungsbild zu finden sind. Eine durch spezielle Antikörper (IgE)
      vermittelte hyperkinetische Symptomatik, wie sie im Fall von atopischen
      Erkrankungen der Haut (z.B. Neurodermitis) bzw. Schleimhaut denkbar wäre,
      ist bisher nicht beobachtet worden. 
      Insgesamt sind komorbide, d.h. überzufällig gemeinsam auftretende
      kinder- und jugendpsychiatrische Störungen zwar ein Hinweis auf mögliche
      gemeinsame Ursachen. Komorbidität allein begründet jedoch noch keinen
      kausalen Zusammenhang zwischen einzelnen Störungen, zumal gerade
      unter dem Aspekt einer gestörten Entwicklung genetische, physiologische
      und psychische Faktoren nicht isoliert zu betrachten sind. So wird bei
      rund 60% aller Kinder, die an einer multiplen Tic-Störung (Tourette-Syndrom)
      leiden, zugleich eine Hyperkinetische Störung diagnostiziert. Allerdings
      sind für das Auftreten einer hyperkinetischen Symptomatik vor den
      Symptomen der Tic-Störung eigenständige Ursachen anzunehmen, während
      die Ausbildung hyperkinetischer Verhaltensweisen nach dem Auftreten
      der Tic-Störung meist als Teil des Tourette-Syndroms zu erklären ist.
      Gleichermaßen ergibt sich aus dem häufig gemeinsamen Auftreten von
      Hyperkinetischem Syndrom und Teilleistungsstörungen
      bei rund 20-30% der hyperkinetischen Kinder kein ursächlicher
      Zusammenhang der Störungen. (17) Weder störungsübergreifende genetische
      Anlagen noch vermeintliche psychische Wechselwirkungen sind aus den heute
      vorliegenden klinischen Befunden eindeutig abzuleiten. Handelt es sich
      bei der Behinderung im Lern- und Leistungsvermögen nicht nur um eine
      soziale Folge der verminderten Aufmerksamkeit sowie des gestörten
      Verhaltens, sondern um ausgeprägte Defizite in einem bestimmten Bereich
      der intellektuellen Begabung, so liegt vermutlich eine eigenständige
      Störung vor. Wie jemand, der einen Schnupfen hat, sich auf dem Weg zur
      Apotheke ein Bein brechen kann, so kann die Hyperkinetische Störung mit
      einer Vielzahl an psychischen und auch körperlichen Auffälligkeiten
      einhergehen bzw. deren Auftreten sogar begünstigen, ohne dass aus diesem
      Grund eine gemeinsame Ursache anzunehmen ist.  | 
   
  
    
       
      Gifte und andere Schädigungen des Gehirns
     | 
     | 
   
  
    | In rund 20 Prozent der Fälle, bei
      welchen Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen eine Hyperkinetische
      Störung diagnostiziert wird, ist unklar, welche Ursachen die
      beobachtete Symptomatik hat. Das heißt nicht, dass wir in jedem
      Einzelfall der verbleibenden ca. 80 Prozent genau wissen, was die
      Störung wie auslöst oder begünstigt. Allerdings ergibt sich für
      diese große Mehrheit an Betroffenen und ihre Krankengeschichte ein klares
      Bild: Die Symptome sind eindeutig und treten in typischer Einheit
      miteinander auf; die Vorgeschichte der Störung lässt ein durchgängiges
      Muster an Auffälligkeiten (z.B. motorische Unruhe) erkennen, das eine
      diesbezügliche biologische Anlage vermuten lässt; Eltern und/oder
      Geschwister der Patienten zeigen vergleichbare Verhaltensauffälligkeiten;
      und - jedoch nicht als Diagnosekriterium zu verstehen - die Behandlung mit
      den heute gebräuchlichen stimulierenden Medikamenten ist fast immer
      wirkungsvoll. Demgegenüber lassen sich die genannten 20 Prozent an
      Betroffenen, denen ebenfalls eine Hyperkinetische Störung attestiert
      wurde, nicht so einfach hinsichtlich Symptomatik und Verlauf
      zusammenfassen. Dies lässt vermuten, dass deren besondere
      Auffälligkeiten zumindest teilweise auf andere Ursachen als eine
      angeborene und durch die Sozialisation ausgeprägte abweichende
      neurobiologische Anlage zurückzuführen sind. Welche Ursachen sind
      hierbei denkbar?
       Zum einen Intoxikationen, d.h. Vergiftungen durch Substanzen,
      die dem Körper von außen zugeführt oder von ihm selbst in schädlicher
      Konzentration hergestellt werden. Als Intoxikation bezeichnet man dabei
      nicht nur lebensbedrohliche Vergiftungen, sondern jede schädliche Wirkung
      von Substanzen auf einen Organismus, also beispielsweise auch die
      schleichende Gesundheitsbeeinträchtigung durch Schadstoffe in der Luft.
      Insofern besteht eine fließende Grenze zwischen Intoxikationen und
      Allergien: Während die Intoxikation das Übermaß einer Substanz an einer
      bestimmten Stelle des Organismus voraussetzt, wird die Allergie durch eine
      Überempfindlichkeit des Organismus bedingt, der bereits alltägliche
      Konzentrationen einer Substanz (z.B. Pollen verschiedener Gewächse) nicht
      mehr ohne Beeinträchtigung seiner normalen Funktion toleriert.  
      Obgleich für die Hyperkinetische Störung bislang keine allergischen
      Reaktionen als Ursache oder auch nur Teilfaktor der Symptomatik
      nachgewiesen werden konnten, weiß man, dass einige Substanzen in
      überhöhter Konzentration insbesondere hyperaktives Verhalten auslösen
      können. Dazu zählen u.a. Blei, Kupfer (auch in Verbindung
      mit einer Schilddrüsenüberfunktion) und andere Schwermetalle, aber auch Alltagsdrogen
      wie Coffein. Je nach der körperlichen Verfassung eines Menschen sowie
      in Wechselwirkung mit anderen Substanzen kann eine Vielzahl weiterer
      Wirkstoffe hyperkinetische Symptome hervorrufen, deren Grund jeweils
      individuell abgeklärt werden muss, wenn eine betroffene Person in einer
      entsprechend belasteten Umwelt lebt bzw. einschlägige Substanzen in
      unüblicher Menge konsumiert. Des weiteren können auch körpereigene
      Substanzen wie beispielsweise Schilddrüsenhormone Hyperaktivität
      auslösen; die Bestimmung der verschiedenen Thyroxin-Parameter zum
      Ausschluss einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) gehört
      daher zur Basisdiagnostik beim Verdacht auf das Vorliegen einer
      Hyperkinetischen Störung.  
      Allerdings sind die wechselseitigen Bedingungen von physiologischer
      Disposition und Umwelteinwirkungen so vielschichtig, dass die oft
      zahlreichen Faktoren bereits eines einzelnen Symptoms nur schwer zu
      isolieren und zu messen sind. Solange die klinische Symptomatik von
      auffällig unaufmerksamen, unruhigen und impulsiven Menschen nicht
      nachweislich auf die Intoxikation durch einzelne Substanzen
      zurückzuführen ist, muss die Diagnose einer Hyperkinetischen Störung
      auch dann als berechtigt gelten, wenn das Krankheitsbild und die
      Krankengeschichte weitere Ursachen zwar nahelegen, die in Frage stehenden
      Faktoren die Krankheit jedoch weder schlüssig noch ausschließlich
      erklären können. 
         | 
     
      In
      America I have often observed that on the Roofs of our shingled Houses
      where Moss is apt to grow in northern Exposures, if there be any thing on
      the Roof painted with white lead, such as Balusters, or Frames of dormant
      Windows, &c. there is constantly a streak on the Shingles from such
      Paint down to the Eaves, on which no Moss will grow, but the Wood remains
      constantly clean & free from it.--We seldom drink Rain Water that
      falls on our Houses; and if we did, perhaps the small Quantity of Lead
      descending from such Paint, might not be sufficient to produce any
      sensible ill Effect on our Bodies. But I have of a Case in Europe, I
      forgot the Place, where a whole Family was afflicted with what we call the
      Dry-Bellyach, or Colica Pictonum, by drinking Rain Water. It was at a
      Country Seat, which being situated too high to have the Advantage of a
      Well, was supply'd with Water from a Tank which receiv'd the Water from
      the leaded Roofs. This had been drank several Years without Mischief; but
      some young Trees planted near the House, growing up above the Roof, and
      shedding their Leaves upon it, it was suppos'd that an Acid in those
      Leaves had corroded the Lead they cover'd, and furnish'd the Water of that
      Year with its baneful Particles & Qualities. 
      Benjamin
      Franklin 
      Brief an Benjamin Vaughan (1786), zitiert nach einer Kopie in der
      US Library of Congress  | 
   
  
     
      So hatte ich mich in Michels Alter vor dem Kindergarten von der Hand
      meiner Erzieherin losgerissen und vollbrachte am Kotflügel eines
      vorbeifahrenden Autos einige artistische Übungen. Daraufhin landete ich
      mit einem doppelten Salto ohne Netz und keiner weiteren Sicherung als der
      Krankenversicherung meiner Eltern auf der Chirurgie unseres
      Provinzhospitals. Da mein Großvater dort früher Chefarzt, meine Mutter
      Ärztin gewesen war, nahm man sich meiner äußerst zuvorkommend an. Meine
      Eltern waren zu dieser Zeit im Urlaub und unerreichbar. Zurück in der
      Heimat schenkten sie dem kleinen Patienten ein Postauto, das
      batteriegetrieben eine Runde auf dem Krankenhausfußboden drehte, wenn man
      oben zehn Pfennig einwarf. Da ich viel Besuch bekam und sehr eindringlich
      betteln konnte, verließ ich das Spital als reicher Mann. 
      Johannes
      Streif 
      Michel aus Lönneberga - Kind hoch drei 
      In: Ein Herz und eine Serie. Hrsg. von Bettina Brömme 
      & Thomas Endl 
      Reclam Leipzig (1999) S.138  | 
    
      Ein weiteres graues Feld möglicher Ursachen der Hyperkinetischen Störung
      jenseits der vererbten und durch die individuelle Entwicklung
      beeinflussten neurobiologischen Disposition sind Schädigungen des
      Gehirns. Solche sogenannten Läsionen können vielgestaltiger Natur
      sein und ihrerseits verschiedene Ursachen haben. Bei Auffälligkeiten in
      zentral vom Gehirn gesteuerten Funktionen, zu denen psychiatrische und
      neurologische Erkrankungen sowie Verhaltensstörungen zählen, ist die
      gängigste Annahme eine prä- oder perinatale Schädigung von
      Hirnstrukturen. Pränatale Schädigungen sind Fehlentwicklungen
      oder Zerstörungen von Bereichen des Gehirns vor der Geburt. Sie
      können einerseits durch Substanzen verursacht werden, welche die Mutter
      als Nahrung oder durch Atmung und Haut zu sich nimmt, andererseits aber
      auch durch den Mangel an lebensnotwendigen Grundstoffen. In diesem Sinne
      erhöht das Rauchen bzw. Passivrauchen von Müttern die
      Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind an der Hyperkinetischen Störung leidet,
      wobei möglicherweise in vielen Fällen sowohl die mütterliche
      Nikotinabhängigkeit als auch die kindliche Verhaltensstörung auf einer
      genetisch vermittelten gemeinsamen Disposition beruhen. (18) Denkbar sind
      aber auch pränatale Schädigungen durch physische Einwirkungen, bei denen
      unfall- oder gewaltbedingt der Fötus im Mutterleib verletzt wird. Perinatale
      Schädigungen sind hingegen Zerstörungen der Hirnstruktur, die im
      zeitlichen Umfeld der Geburt des Kindes entstehen. Sie werden meist durch
      Sauerstoffmangel oder physische Einwirkungen während der Geburt
      verursacht. Sowohl vor- als auch frühe nachgeburtliche Schädigungen des
      Gehirns sind nicht selten unspezifischer Art, d.h. sie sind nicht immer
      mit bildgebenden Verfahren eindeutig zu erfassen und in ihren Konsequenzen
      für die Entwicklung und das Verhalten des Kindes beschreibbar. Die Idee
      der prä- oder perinatalen Schädigung des Gehirns bestimmte das frühere
      Konzept des Minimale Brain Damage bzw. der Minimalen Cerebralen
      Dysfunktion (vgl. Namen der Störung).
       Natürlich kann es auch im späteren Leben zu Schädigungen
      an Hirnstrukturen kommen. Diese geschehen häufig durch Unfälle, die
      umschriebene Bereiche des Gehirns betreffen. Solche durch physische
      Einwirkungen verursachten Läsionen sowie ihre Konsequenzen zog bereits
      1902 der englische Arzt George F. Still zur Charakterisierung der
      Symptomatik der späteren Hyperkinetischen Störung heran (s.o.).
      Betroffen vom sogenannten "Frontalhirnsyndrom" sind
      Menschen, deren Großhirnrinde im Bereich der Stirn verletzt wurde, jener
      Stelle also, an der die Exekutiven Funktionen angesiedelt sind. Neben den
      unmittelbaren Unfallfolgen gibt es freilich noch eine große Anzahl
      weiterer Gründe für bleibende Hirnschädigungen, die von den bereits
      angeführten Substanzeinwirkungen (Gifte, Drogen) über Mangel-
      und Stoffwechselerkrankungen bis hin zu erblichen degenerativen,
      d.h. die Struktur des Gehirns auflösenden Neuropathien reichen. Viele
      dieser Leiden sind sehr selten, weshalb eine umfangreiche Diagnostik nur
      dann angezeigt ist, wenn entsprechende Beeinträchtigungen durch
      spezifische Lebensbedingungen oder Häufungen im Familienkreis nahe
      liegen. Treten die Symptome einer Hyperkinetischen Störung jedoch erst im
      Erwachsenenalter auf, so macht es Sinn, zunächst krankhaften
      Veränderungen im Gehirn nachzugehen, bevor eine retrospektive Diagnose
      von hyperkinetischen Auffälligkeiten oder gar eine vorschnelle Therapie
      versucht wird.  
      Dennoch. Wie im Fall der komorbiden Störungen bereits festgestellt, so
      gilt auch hier, dass die Hyperkinetische Störung für die Mehrzahl der
      Schädigungen des Gehirns weder ein begünstigender Faktor noch ein
      Ausschlusskriterium ist. Hyperkinetiker können wie anderen Menschen auch
      an den neurologischen Folgen von Stoffwechselstörungen, von
      Unfallschäden oder beispielsweise auch von Hirntumoren leiden.  Für  die
      Hyperkinetische Störung spricht eine weitgehende Konstanz der
      Symptomatik über das gesamte Leben hinweg, wenngleich die
      unterschiedlichen Lebenssituationen von Kindern und Erwachsenen das
      gleiche Symptom häufig in unterschiedlichem Licht erscheinen lassen. 
      Gegen  eine Hyperkinetische Störung und für pathologische Veränderungen
      im Organismus spricht demgegenüber eine rasch und unvermittelt sich
      darstellende Symptomatik - auch und gerade dann, wenn die Psyche des
      Betroffenen, wenn Emotionen und Verhalten sich überraschend ändern. Dann
      ist eine Differentialdiagnostik nicht nur sinnvoll, sondern gegebenenfalls
      lebensrettend.
      | 
   
  
     | 
    
       
      Erziehung und Sozialisation
     | 
   
  
     
      John M. Gottman 
      u.a. auf Deutsch: 
      Kinder brauchen emotionale Intelligenz 
      Heyne (1998) 
        
        
      Väter und Mütter von
      hyperkinetischen Kindern vereinen in ihrer Erziehungshaltung zudem
      gleichermaßen Elemente des Coaching, des Gewährenlassens und der Missbilligung,
      wohingegen die Eltern der diesbezüglich unauffälligen Kinder
      Nichtbeachtung und Missbilligung mit geringer Toleranz des in Frage
      stehenden Verhaltens verbinden. Vorderhand mag dies auf eine geringere
      erzieherische Eindeutigkeit oder Konsequenz der Eltern von ADHD-Kindern
      schließen lassen. Allerdings begegnen sie dem Ärger ihrer Kinder nicht
      weniger coachend als die Eltern der Vergleichspopulation; vielleicht 
      versuchen sie angesichts der geringeren Selbstregulations-
      kompetenzen ihrer hyperkinetischen Söhne, die Eskalation des Ärgers
      durch gelegentliche Duldung problematischen Emotionsausdrucks zu
      vermeiden. Dem entspricht auch die tendenzielle Differenzierung zwischen
      hyperaktiven und nicht hyperaktiven Kindern innerhalb der Population der
      vorliegenden Untersuchung. Hier ergeben sich geringere Laisser-faire- und
      größere Nichtbeachtung / Missbilligung-Werte für die hyperaktiven,
      jedoch größere  Laisser-faire-
      und geringere Nichtbeachtung / Missbilligung-Werte für die nicht
      hyperaktiven Kinder. 
      Johannes
      Streif 
      Meta-Emotion: Emotionale Kommunikation in Familien mit hyperkinetischen
      Kindern. Diplomarbeit 
      München (1999) S.167f. 
     | 
    Gleich vorweg: Das, was Psychologie und
      Psychiatrie heute als die Hyperkinetische Störung bezeichnen, kann nicht
      durch Erziehung oder anderweitige Umweltprägung hervorgerufen
      werden!  Kritiker der Diagnose sind bis heute jeden Beweis dafür schuldig
      geblieben, wie sie das systematische Auftreten der spezifischen
      Verhaltensauffälligkeit durch die unterschiedlichsten Umweltbedingungen
      erklären können, ohne eine genuine, den Betroffenen innewohnende gleiche
      Ursache zu akzeptieren. Angesichts der vielfältigen Formen menschlicher
      Gemeinschaften auf dieser Erde grenzt es ohnehin an ein Wunder, dass wir
      über die Menschheit hinweg so viele Verhaltensweisen teilen, uns im
      Denken und Fühlen des anderen so sehr wiederfinden können. Das
      abendländische Mittelalter sah in dieser moralischen Universalität sogar
      einen Gottesbeweis, als ob nur der Schöpfer die grundsätzliche Haltung
      zum Leben allen Menschen gleich habe eingeben können. Aber sollten wir
      auch nur an einen Sieg der menschlichen Vernunft glauben, so ist es
      dennoch wunderbar, dass weite Teile der heutigen Menschheit eine
      gemeinsame Vorstellung vom Menschenrecht haben und sich gleichermaßen
      gesellschaftlichen Regeln verpflichtet fühlen. Und ausgerechnet die Welt
      der hyperkinetischen Kinder soll nun eine sein, die diese Kinder nicht
      oder nicht hinreichend auf eine Gemeinschaft und ihre Regeln vorbereitet? Der amerikanische Psychologe und Wissenschaftler
       John Gottman, der v.a.
      durch seine Forschungen zu Partnerschaft und Familie bekannt wurde, hat in
      einer aufwendigen Studie 53 Familien mit einem zu Beginn der Untersuchung
      4 bis 5 Jahre alten Kind über mehrere Jahre hinweg begleitet. Dabei
      erfasste er neben einer Vielzahl an psychologischen und soziologischen Daten
      insbesondere den  emotionalen Umgang der Familienmitglieder  miteinander. In
      einem eigens entwickelten Interview befragte er Eltern und Kinder, wie sie
      mit dem Erleben von Ärger und Traurigkeit an sich selbst sowie an anderen
      umgehen. 1997 veröffentlichten er und seine Mitarbeiter schließlich die
      Ergebnisse der Untersuchung in einem umfangreichen wissenschaftlichen
      Buch. (19)  
      Gottman und seine Kollegen fanden heraus, dass die Aufmerksamkeit sowie
      das strukturierte Eingehen auf die emotionale Verfassung des Kindes einen
      erheblichen Einfluss auf seine Entwicklung hat. Im Mittel waren die  Kinder
      von emotional zugewandten Eltern, die Ärger und Traurigkeit der Söhne
      und Töchter sahen, ohne jedoch jede Form der Gefühlsäußerung zu
      dulden, nach drei Jahren nicht nur  emotional reifer  und  sozial
      kompetenter, sondern auch intelligenter. Darüber hinaus zeigte eine Reihe
      von physiologischen Parametern, u.a. EKG*-Messwerte und Laborwerte von
      Stresshormonen**, dass sich die Kinder in emotional strukturierten
      Familien auch in ihrer biologischen Verfassung anders entwickelt hatten.
      Ein Erziehungsstil, der nach der amerikanischen Psychologin Diana Baumrind
      
      (20) autoritativ  genannt wird und - einfach gesagt - spürbare elterliche
      Liebe mit erzieherischer Konsequenz verbindet, begünstigte offenbar die
      Ausbildung der physiologischen Voraussetzungen zur Selbstregulation: eine 
      maximale Steuerung der parasympathischen Aktivität. Das parasympathische
      Nervensystem erfüllt auf der Seite des vegetativen Nervensystems
      (Organsteuerung, u.a. Augen, Herz, Lunge) ähnliche die Erregung hemmende
      Aufgaben wie die frontalen Bereiche der Großhirnrinde auf Seiten der
      willentlichen Verhaltenskontrolle (die sogenannten  Exekutiven
      Funktionen, s.o.).
      Die Erziehung hatte also nicht nur einen psychologisch und sozial auch von
      Außenstehenden (z.B. Lehrern) beobachteten Einfluss auf die Entwicklung
      der Kinder, sondern sogar einen Effekt auf die körperliche Verfassung und
      die physiologischen Voraussetzungen zur Selbstregulation. [*
      Elektrokardiogramm zur Messung der Herzfunktion; ** hier im Urin bestimmte
      Catecholamine: Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin, Cortisol] 
      Warum wird dies hier so ausführlich dargestellt? Erstens, weil es zur
      Studie von Gottman und seinen Mitarbeitern bisher in Ansatz und Umfang
      keine vergleichbare Untersuchung gibt. (21) Zweitens, weil Gottman und
      Kollegen eine  Ausnahme  in dieser und anderen ihrer Untersuchungen
      beschreiben:  Kinder, die an einer Hyperkinetischen Störung leiden. Obwohl
      diese Kinder unter vergleichbar günstigen Sozialisationsbedingungen
      ebenfalls einen guten und im Vergleich mit nicht-hyperkinetischen Kindern
      unauffälligen Steuerungsspielraum der parasympathischen Aktivität
      ausbilden, erreichen sie dennoch nicht das gleiche Maß an
      Aufmerksamkeitssteuerung und Selbstregulation. (22) Entsprechende Befunde
      ergaben sich bereits in früheren Studien anderer Wissenschaftler und
      stützen die Annahme einer spezifischen Entwicklungsverzögerung und auch
      Entwicklungsabweichung, wie sie in diesem Artikel an anderer Stelle
      bereits beschrieben wurden. (23) Damit ist keinesfalls bewiesen, dass
      Erziehung - wie auch andere Umwelteinflüsse - bei hyperkinetischen
      Kindern wirkungslos ist. Sie hat allerdings bei gleicher Absicht und
      Hingabe der Erziehenden nicht immer die gleiche Wirkung. Vielleicht sollte man die
      Hyperkinetische Störung daher weniger nach ihren unmittelbaren
      Verhaltenseffekten charakterisieren als vielmehr nach dem, was sie an
      normaler Entwicklung behindert. In diesem Zusammenhang bekommen die
      vielfältigen Einflüsse der unterschiedlichen Gesellschaften auf dieser
      Erde, in denen
      stets auch betroffene hyperkinetische Menschen leben, im Spiegel der Störung ein
      gemeinsames Gesicht: der erziehungs- und sozialisationsunabhängigen
      Schwierigkeit, sich selbstgesteuert an die Regeln einer Gemeinschaft
      anzupassen. Egal, wie diese Regeln aussehen und wer sie vermittelt. 
        
     | 
   
  
    | Diese Sichtweise offenbart auch,
      wie unsinnig der Schluss ist, dass der Grund gleicher Verhaltensweisen
      stets derselbe sein muss - oder verschiedene Verhaltensweisen nicht auch
      denselben Grund haben können. Nimmt man an, dass ein erheblicher Teil der
      physiologischen Grundausstattung des Menschen im Sinne seines Temperaments
      angeboren ist, so bleibt für die Entwicklung nur ein
      eingeschränkter Spielraum. Hinzu kommt, dass die an die Bedingungen der
      Situation angepassten Verhaltensweisen zunehmen, je mehr der Mensch in
      der Lage ist, entsprechende "Zeichen" der Umwelt zu sehen, zu
      verstehen und auf sie selbstgesteuert zu reagieren. Dennoch kann das eine
      nicht unabhängig vom anderen betrachtet und erklärt werden. Es ist
      müßig zu fragen, wieviel Natur und wieviel Kultur wir an einem
      hyperaktiven Kind sehen, das wagemutig in den Wipfel eines Baumes
      klettert. Ohne seine Anlage hätte es vielleicht dem Reiz des
      gefährlichen Kletterns widerstanden oder die Warnungen der Eltern
      beherzigt; wäre es köperbehindert oder gäbe es in seiner Umwelt keine
      Bäume, könnte das Kind nicht klettern. Vor diesem Hintergrund die Verhaltensauffälligkeit
      des hyperkinetischen Kindes, die doch nur angesichts des Mittelmaßes
      aller Kinder, aller sozialen Entwicklungsverläufe und aller beobachteten
      Lebenssituationen erkennbar wird, ausschließlich einzelnen Gründen
      der Erziehung oder Sozialisation zuzuschreiben, ist reichlich naiv. Und
      wenn ein Kind mit ungünstigem Temperament - unruhig als Baby, laut und
      ungestüm als Kleinkind, unaufmerksam als Schüler, impulsiv als
      Jugendlicher in seinen Beziehungen - schließlich ohne Ärzte und
      Psychologen, ohne Medikamente und Therapien doch ein zufriedener und in
      der Gesellschaft anerkannter Erwachsener wird, dann spricht das nicht gegen
      die Diagnose einer Hyperkinetischen Störung und auch nicht gegen die
      Therapie der Verhaltensauffälligkeit. Es spricht vielmehr für eine
      große Leistung seiner Eltern, Geschwister, Lehrer und Freunde, die man
      nicht von jeder Mutter und jedem Vater, nicht von allen Geschwistern und
      Freunden, nicht von allen Lehrern und Erziehern erwarten kann.
       Der Münchner Kinderarzt Walter Eichlseder war einer der ersten
      in Deutschland, der sich gegen die Unterstellung verwahrte, elterliche
      oder familiäre Disharmonie könnten die Hyperkinetische Störung
      hervorbringen. "Man sagt, dass Kinder darunter leiden würden, und
      dass sie deshalb verhaltensgestört seien. Das erste ist wahrscheinlich
      richtig, das zweite ist eine Behauptung, die noch nie bewiesen worden
      ist." (24) Korrelationsstudien, d.h. statistische Berechnungen von
      Zusammenhängen zwischen zwei oder mehr Informationen, zeigen immer
      wieder, dass verhaltensauffällige Kinder häufiger als unauffällige
      Kinder in ungeordneten Familienverhältnissen leben, in Pflegefamilien und
      Heimen aufwachsen, ja bereits als Kleinkinder zur Adoption freigegeben
      werden. Doch diese Studien können nicht belegen, was die Ursache und
      was die Wirkung ist: Waren Eltern und Familie zuerst zerstritten und
      versäumten so eine gute Erziehung des Kindes - oder begannen sie ihren
      Streit unter der Last der Erziehung eines kaum zu bändigen Kindes? Ist es
      denn tatsächlich denkbar, dass die Monate oder wenigen Jahre, die ein
      adoptiertes Kind bei seinen leiblichen Eltern oder im Heim verbrachte,
      sein Verhalten auf Dauer bestimmen, und zwar ausgerechnet im Sinne der
      Symptome einer Hyperkinetischen Störung? Vielleicht gibt es doch diese in
      der Natur des Menschen liegende Andersartigkeit in Entwicklung und
      Verhalten, die bereits die Eltern der hyperkinetischen Kinder belastet und
      - noch unabhängig vom eigenen Kind - Lebensbedingungen schafft, unter
      denen Beziehungen schwieriger und Gemeinschaften zerbrechlicher sind. 
      Ist es denn wirklich ein ungeheuerlicher Schuldspruch anzunehmen, dass
      Partnerschaften und Familien, nicht anders als Schulklassen oder Vereine,
      am Verhalten eines Kindes scheitern können?! Sie scheitern doch auch an
      der Attraktivität neuer Beziehungen, scheitern an finanziellen
      Einschränkungen oder Arbeitszeiten. Mit der Überforderung einer
      Gemeinschaft durch ein hyperaktives Kind ist kein Urteil über die Schuld
      des Kind gesprochen, sondern über die unabwägbaren Vorstellungen, wie
      Eltern, Lehrer oder Freunde mit diesem Kind zu leben hofften. An
      unseren Erwartungen messen wir uns täglich - und scheitern zwangsläufig
      immer wieder, da doch niemand weiß, was die Zukunft bringen wird. Alle
      wissenschaftlichen Untersuchungen haben bis heute nichts an der
      Unabsehbarkeit zukünftiger Entwicklungen ändern können. Weder
      psychologische Bindungstheorie noch soziologische Gesellschaftstheorien
      können letztgültig erklären, was Menschen und Gemeinschaften zu dem
      macht, was sie sind. (25) Barkley schreibt, erfolgreichen Menschen in der
      Gesellschaft stünde Demut an angesichts des Umstandes, dass sie
      weder für sich selbst noch ihre Kinder die Natur geschaffen haben, die
      eine Voraussetzung des Erfolges ist: eine Physiologie, die gute
      Selbstregulation und Begabung miteinander verbindet. (26) Für die blinde
      Arroganz, mit der manche Politiker, Gesellschaftskritiker und
      selbsternannten Therapeuten auf vermeintlich versagende Eltern, Schulen
      und gesellschaftliche Strukturen verweisen, gibt es in dieser komplexen
      Welt wenig Rechtfertigung. Für die Behauptung aber, die Hyperkinetische
      Störung würde durch Erziehung oder andere Sozialisationseinflüsse
      verursacht, gibt es gar keine Rechtfertigung!  | 
     
      Extrem zappelig. Keine Minute ruhig. Sorgt bei Tisch
      nur für Aufregung. Verschüttet regelmäßig etwas. Frisst in sich
      hinein. Strahlt Unruhe aus, sobald er den Raum betritt. Zündelt. Wenn er
      die Treppe herunterstürzt, ist das nicht nur laut, sondern ungeschlacht
      und vehement. Spielt um sechs Uhr früh mit dem Eishockeyschläger im
      Treppenhaus mit dem Ball. [...] 
      Die Mutter meinte, wenn sie ihr Kind nicht so liebte
      und nicht wüsste, dass es im Grunde ein lieber Junge sei, der es nicht so
      meint, könnte sie das überhaupt nicht mehr aushalten. 
      Die meisten Mütter betonen, die Geschwister seien
      auch einmal lebhaft, wild oder ausgelassen. Aber dieses eine Kind hätte
      eine Art und ein Ausmaß an Aktivität in sich, dass es den Rahmen des in
      der Familie möglichen sprenge. Es sprengt auch jede Klasse, und es
      verwandelt jeden Spielplatz in ein Schlachtfeld. 
      Walter Eichlseder 
      Unkonzentriert? 
      Beltz (1996) S.33f.  | 
   
  
     | 
    
       
      Eine kurze Zusammenfassung
     | 
   
  
     
      Aus meinem Modell folgt, dass die Behandlung des
      hyperkinetischen Syndroms auch Eltern und Lehrer einbeziehen sollte.
      Ergänzend zu einer Therapie der Kinder mit Psychostimulanzien - und in
      manchen Fällen mit Antidepressiva - müssten die Erzieher darin geschult werden,
      wie sie mit den Verhaltensauffälligkeiten ihrer Zöglinge gezielter und
      geschickter umgehen können. Hilfreich ist es beispielsweise, wenn das
      Kind auf sein Verhalten hin gleich eine Rückmeldung erhält, also
      möglichst oft und schnell die Konsequenzen erfährt, insbesondere auch
      Lob und Anerkennung. [...] 
      Eine wirkliche Heilung für das hyperkinetische
      Syndrom gibt es wohl nicht, aber man kennt jetzt immer bessere
      Möglichkeiten, mit dieser bleibenden, oft schwerwiegenden
      Entwicklungsstörung umzugehen und sie zu meistern. Vielleicht gibt es
      schon bald genetische Tests dafür und dann auch Pharmaka, die
      hyperaktiven Kindern noch gezielter helfen. 
      Russel A. Barkley 
      Hyperaktive Kinder 
      In: Spektrum der Wissenschaft 3 
      März 1999 S.35f.  | 
    Die Erforschung der Hyperkinetischen Störung
      dauert nun bereits mehr als 100 Jahre an. Die vom englischen Arzt George
      F. Still 1902 erstmals umfassend beschriebene Symptomatik sowie seine
      Hinweise auf vergleichbare Verhaltensauffälligkeiten bei Patienten mit
      spezifischen Hirnschädigungen haben schon damals wesentliche Aspekte der
      Störung erfasst. Nach Jahrzehnten der Fokussierung auf Defekte der
      Hirnstruktur ermöglichten zu Beginn der 1990er Jahre die modernen
      bildgebenden Verfahren erstmals auch die Untersuchung des
      Hirnstoffwechsels. Heute ist davon auszugehen, dass die Störung von
      Aufmerksamkeit, Aktivität und Impulsivität durch eine Dysregulation des
      Dopamin-Stoffwechsels entsteht, die sowohl mittelbare Folgen für die
      willentliche Selbststeuerung (sog. Exekutive Funktionen) hat als auch
      unmittelbar auf die motorischen Funktionen wirkt. Dabei wird diese Dysregulation
      primär genetisch vererbt und nur sekundär durch Umwelteinflüsse
      auf die Entwicklung sowie durch momentane, von der augenblicklichen
      Situation abhängige Reize bedingt.
       Verschiedene in wissenschaftlichen wie populären Foren diskutierte
      Ursachen der Hyperkinetischen Störung können weitgehend ad acta gelegt
      werden und haben allenfalls einen beschränkten zusätzlichen
      Erklärungswert. Dazu zählen einerseits sozioevolutionäre Modelle, die
      in der Störung ein Überbleibsel früherer mutmaßlich gesellschaftlich
      sinnvoller Verhaltensweisen sehen, sowie sozialisationstheoretische
      Ansätze, die eine eigentliche Verursachung der Störung durch die Umwelt,
      insbesondere durch eine ungeeignete Erziehung der Kinder behaupten. Dazu
      zählen andererseits aber auch weitestgehend biologisch orientierte
      Konzepte wie die Annahme von Allergien oder Reaktionen auf unverträgliche
      Substanzen in Nahrung und Umwelt. Sie alle können durch die gezielte
      Veränderungen der von ihnen angenommenen Ursachen zwar einzelne Symptome
      zu mehr oder minder großen Teilen beeinflussen, nicht aber die Hyperkinetische
      Störung als Einheit in ihrer Kultur und Biologie übergreifenden
      Symptomatik erklären. Ihr "Fehler" liegt in der Suche nach
      Ursachen, die einen unmittelbaren eindeutigen Effekt auf das Verhalten der
      Betroffenen haben, statt von einer Störung auszugehen, welche die
      individuelle Anpassung des Einzelnen an die jeweils gegebenen
      Umweltbedingungen behindert. 
      Natürlich wird auch die aktuelle wissenschaftliche Vorstellung der
      Hyperkinetischen Störung und ihrer Ursachen nicht zeitlos bestehen
      bleiben. Dennoch ist sie schon heute so ausgereift und detailliert, dass
      sie die Grundlage einer genauen und ihrer Verantwortung bewussten Diagnostik
      und Therapie sein kann. Verallgemeinernde
      Aussagen, welche jede Kenntnis der Ursachen dieser Verhaltensstörung
      leugnen oder auch die medizinische wie psychologische Therapie insgesamt
      infrage stellen, sind unlauter, da sie sich nicht auf die vorliegenden
      Befunde stützen. Wie notwendig vertiefte Kenntnisse sind - so sehr sich
      das aktuelle Interesse an der Hyperkinetischen Störung auch aus den
      Problemen gerade unserer modernen Industriegesellschaften mit
      unaufmerksamem, unruhigem und impulsivem Verhalten nähren mag -, zeigt
      nicht zuletzt die Polemik, mit der diese Störung mehr als jede andere in
      der Öffentlichkeit diskutiert und durch Vertreter vielfältiger Verbände
      politischer und wirtschaftlicher Natur in deren Interesse vereinnahmt
      wird. Darunter leiden nicht nur die Betroffenen, deren augenblickliche Not
      zum Spielball und Faustpfand zukünftiger sozialer Reformen gemacht wird -
      darunter leidet auch eine Gesellschaft, die durch die wachsenden
      Freiheiten des Einzelnen mehr denn je auf seine Selbstkontrolle angewiesen
      ist. 
         | 
   
  
    | 
        
  | 
    
      Weitere Informationen zur Hyperkinetischen
      Störung
     | 
   
  
     | 
    Symptome der Störung | 
     | 
   
  
     | 
    Diagnose der Störung | 
     | 
   
  
     | 
    Therapieformen | 
     | 
   
  
     | 
     | 
     | 
   
  
     | 
     
       Verweise auf Fachliteratur 
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     | 
   
  
    | 
       (1)  | 
    Still, G.F. (1902). Some
      abnormal psychical conditions in children. In: Lancet 1
      S.1008-1012, 1077-1082, 1163-1168 | 
     
      
      
      Ich weiß es nicht, weiß im Grunde in all meinem Alter nicht mehr als zu
      Kinderzeiten zu wissen war. Bin ich denn reifer geworden durch die vielen
      Tage, in denen meine Sinne eine Welt aufnahmen, die sich dem Verstehen der
      Menschen entzieht? Nicht weiter ist mein Blick geworden, dass ich mehr
      sehe als je zuvor, doch nur allenfalls durchdringender, schärfer aus
      Schulung, unterscheidender und bewusster. Aber die Schule war
      ganz eigen, ein geschlossener Raum ohne Fenster, ein komplexes, bis in
      hinterste Windungen durchdachtes System, ein Modell freilich, dessen äußere
      Grenzen der denkenden menschlichen Mitte entwucherten, bis dass sie,
      unabsehbar am Ende der hypertrophierenden Formel mitwachsend, zur
      Negierung mehr als genügend entrückt schienen. Im Mikrokosmos der
      unendlich zu stückelnden Kleinheit erwuchs mir und allen ein Abbild des
      universalen Großen, das mehr und mehr zu durchschauen unserem eitlen
      Fortschrittsglauben gefiel wie ein rasches Erwachsenwerden und
      Emanzipieren. Wie überheblich aus der Sicht des Ganzen, das es
      nicht zu greifen und schwerlich vorzustellen gibt, weil wir mit jeder
      Spaltung der Durchdringung doch nur an Einzelheiten rätseln und auch
      nicht zweierlei des Kleinsten uns Bekannten aufzureihen wissen! Für jedes
      Modell finden wir eine Ordnung, ja es wird in seinem Wesen selbst zu ihr,
      zuletzt von den Philosophen gar zur Folge der Ordnungen verkehrt, die
      diese in ihren gefesselten Geistern entwerfen. Natürlich wissen wir, dass
      die Zusammenfassung der Modelle kein Modell mehr sein darf, dass, weil wir
      Menschen Schöpfer mit faktischem, immanentem Sein sind, über dem
      Transzendenten die Determination des Vorhandenen steht. Doch das
      Unbegreifliche verfängt sich in der Vorstellung, kommt nicht über
      sie hinaus, und so steht über all den Modellen und Ordnungen, die wir uns
      im Entdeckerglauben schufen, wieder
      nur ein Modell, - das Weltmodell.
      
      
       
      Vielleicht
      mag es dem einen oder anderen obskur und unrecht erscheinen, den relativen
      Fortschritt der Menschheit, der so offensichtlich nicht zu bestreiten sei,
      um des geringen absoluten Fortschritts zu verwerfen. Immer, das sage auch
      ich mir, gibt es etwas zu verbessern, was bedeutet, dass das
      wahrhaft Gute in unendlicher Ferne liegt. Dem Unendlichen aber kann man
      sich nicht nähern, und so fürchte auch ich die Entwertung jeder Bemühung
      aus der Größe des Ideals. [...]
      
       
      Wir alle
      leben nach einem bestimmten Lebensschema, das die Erfahrung mit der Welt
      und uns selbst entworfen hat, das uns in Situationen führt und
      Augenblicke auf einzigartig freie und doch vorgezeichnete Art durchleben lässt.
      Unser Sein wird auf tausendfach in sich selbst reflektierte Weise ein
      Bewusstsein, das als Modell Denken und Handeln in stets antizipierender
      und trotzdem gegenwärtiger Führung vorantreibt. Ich lebe aus meinem
      Modell, dem meines Erfassens und dem Weltmodell, das die Menschheit
      sich in Zivilisation, Wissenschaft und Kultur geschaffen hat, lebe aus den
      ordnenden und regelnden Prinzipien meiner Zeit, lebe aus der Ordnung
      selbst. Ich kann nicht umhin, dass mein Sein das Wundmal meiner Beschränktheit
      trägt, die mehr ist als nur die Begrenzung durch das Vorhandene,
      durch mein ins Leben gestelltes Dasein. Alles was ich tue, und auch jenes,
      das ich sein lasse, mein Reden und mein Schweigen, mein Denken und meine
      vielfältige Unberührtheit, alles ist gezeichnet mit den Spuren meiner
      Wesenhaftigkeit, die ideell fortlebt in den materiellen und immateriellen
      Dingen, deren Ursprung ich war.
      
       
      
      
      Joshua Cyriac 
      Tom (1989) S.61f.
         | 
   
  
    | (2) | 
    
      Moll, G.H; Rothenberger, A. (2001). Neurobiologische Grundlagen. Ein
      pathophysiologisches Erklärungsmodell der ADHD. In: Kinderärztliche
      Praxis. Sonderheft "Unaufmerksam und hyperaktiv", S.9-15 | 
   
  
    | (3) | 
    Brand, C. (1995). Cyril Burt:
      Fraud or Framed? A Review. In: Nature 377, S.394-395 | 
   
  
    | (4) | 
    Rutter, M.; Silberg, J.;
      O'Connor, T.; Simonoff, E. (1999). Genetics and Child Psychiatry: II
      Empirical Research Findings. In: Journal of Child Psychology and
      Psychiatry 40/1, S.19-55 | 
   
  
    | (5) | 
    Hartmann, T. (1993). Attention
      Deficit Disorder - A Different Perception. Montpelier VT: Mythical
      Intelligence Inc. 
      deutsch: Hartmann, T. (1997). ADD - Eine andere Art, die Welt zu sehen.
      Lübeck: Schmidt-Römhild 
      Inzwischen ist in den USA eine erneuerte und erweiterte Auflage des Buches
      erhältlich, die durch E.M. Hallowell (Driven to Distraction -
      Zwanghaft zerstreut) eingeleitet wird. | 
   
  
    | (6) | 
    
      Jensen, P.S. et al. (1997). Evolution and Revolution in Chuld
      Psychiatry: ADHD as a Disorder of Adaptation. In: Journal of the
      American Academy of Child and Adolescent Psychiatry 36/12, S.1672-1679 | 
   
  
    | (7) | 
    Haeckel, E. (1868). Natürliche
      Schöpfungsgeschichte. Berlin: Reimer. Die Darstellung der Ontogenese
      erfolgt im 12. Vortrag; die Parallelisierung der ontogenetischen und
      phylogenetischen Stadien nach J. Streif. | 
   
  
    | (8) | 
    Bischof-Köhler, D. (1985). Zur
      Phylogenese menschlicher Motivation. In: Eckensberger, L.H.; 
      Lantermann, E.-D. (Hrsg.) Emotion und Reflexivität. Wien: Urban
      und Schwarzenberg, S.3-47 
      Eibl-Eibesfeld, I. (1984). Die Biologie menschlichen Verhaltens. München:
      Piper 
      Krause, R. (1983). Zur Onto- und Phylogenese des Affektsystems und
      ihrer Beziehungen zu psychischen Störungen. In: Psyche 37,
      S.1015-1043 
      Resch, F. (1996). Entwicklungspsychopathologie des Kindes und
      Jugendalters. Weinheim: Beltz PVU, v.a. S.113-127 (Exkurs: Zur
      Phylogenese des Denkens) | 
   
  
    | (9) | 
    Dresel S.; Krause, J.; Krause,
      K.-H.; LaFougere, C.; Brinkbaumer, K.; Kung, H.-F.; Hahn, K.; Tatsch, K.
      (2000). Attention deficit hyperactivity disorder: binding of
      [99mTc]TRODAT-1 to the dopamine transporter before and after
      methylphenidate treatment. In: European Journal of Nuclear Medicin 27/10,
      S.1518-1524 
      Moll, G.H.; Wicker, M.; Bock, N.; Rüther, E.; Rothenberger, A.; Huether,
      G. (2000). Age-associated changes in the densities of presynaptic
      monoamine transporters in different regions of the rat brain from early
      juvenile life to late adulthood. In: Developmental Brain Research
      119, S. 251-257 | 
   
  
    | (10) | 
    Barkley, R.A. (1997). ADHD and
      the Nature of Self-control. New York: Guilford Press; eine
      populärwissenschaftliche Zusammenfassung auf Deutsch in: 
      Barkley, R.A. (1999). Hyperaktive Kinder. In: Spektrum der
      Wissenschaft 3, S.30-36 | 
   
  
    | (11) | 
    Moll, G.H.; Hause, S.; Rüther, E.; Rothenberger, A.; Huether, G. (2001).
      Early Methylphenidate Administration to Young Rats Causes a Persistent
      Reduction in the Density of Striatal Dopamin Transporters. In: Jornal
      of Child and Adolescent Psychopharmacoloy 11/1, S.15-24
      
       | 
   
  
    | (12) | 
    Hüther, G.; Bonney, H. (2002). Neues
      vom Zappelphilipp: ADS/ADHS verstehen, vorbeugen und behandeln.
      Düsseldorf: Walter. | 
   
  
    | (13) | 
    Trott, G.-E. (1993). Das
      hyperkinetische Syndrom und seine medikamentöse Behandlung.
      Heidelberg: Barth. | 
   
  
    | (14) | 
    Biederman, J.; Wilens, T.; Mick,
      E.; Spencer, T.; Faraone, S. (1999). Pharmacotherapy of
      Attention-deficit/ Hyperactivity Disorder Reduces Risk for Substance Use
      Disorder. In: Pediatrics 104/2, S.E20 
      Huss, M.; Schmidt-Schulz, A.; Hoffmann, K.; Vogel, R.; Lehmkuhl, U.
      (2000). Wenn ADS »erwachsen« wird - Langzeitverläufe von Kindern mit
      Aufmerksamkeitsdefizit- Syndrom (ADS): Macht Ritalin süchtig? In:
      Fitzner, T.; Stark, W. (Hrsg.) ADS: verstehen - akzeptieren - helfen.
      Weinheim: Beltz, S.184-194 | 
   
  
    | (15) | 
    Zerbe, R.L.; Rowe, H.; Enas, G.G.;
      Wong, D.; Farid, N.; Lemberger, L. (1985). Clinical pharmacology of
      tomoxetine, a potential antidepressant. In: Journal of Pharmacology
      and Experimental Therapeutics 232/1, S.139-143 
      Michelson, D.; Fries, D.; Wernicke, J.; Kelsey, D.; Kendrick, K.; Sallee,
      F.R.; Spencer, T. (2001). Atomoxetine in the treatment of children and
      adolescents with attention-deficit/hyperactivity disorder - a randomized,
      placebo-controlled, dose-response study. In: Pediatrics 108/5,
      S.E83 [Diese Studie wurde von den Lilly Research Laboratories in
      Zusammenarbeit mit der Indiana University School of Medicine
      durchgeführt] | 
   
  
    | (16) | 
    Egger, J. (2000). Möglichkeiten
      von Diätbehandlungen bei hyperkinetischen Störungen. In:
      Steinhausen. H.-C. (Hrsg.) Hyperkinetische Störungen bei Kindern,
      Jugendlichen und Erwachsenen. Stuttgart: Kohlhammer, S.117-126 
      Schmidt, M.H.; Egger, J. (1998). Die Wirksamkeit einer oligoantigenen
      Diät bei Kindern mit expansiven Verhaltensstörungen. Köln:
      Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 
      Als Beispiel für Erziehungsratgeber: 
      Calatin, A. (1992). Das hyperaktive Kind. Ursachen, Erscheinungsformen
      und Behandlung. München: Heyne 
      Rosival, V. (1992). Hyperaktivität natürlich behandeln. München:
      Gräfe und Unzer | 
   
  
    | (17) | 
    Pastor, P.N. (2002). Attention
      Deficit Disorder and Learning Disability: United States, 1997-98.
      Department of Health and Human Services. Centers of Disease Control and
      Prevention. National Center for Health Statistics. In: Vital and Health
      Statistics 10/206 | 
   
  
    | (18) | 
    Mick, E.; Biederman, J.; Faraone, S.V.; Sayer,
      J.; Kleinman, S. (2002). Case-control study of attention-deficit
      hyperactivity disorder and maternal smoking, alcohol use, and drug use
      during pregnancy. In: Journal of the American Academy for Child and
      Adolescent Psychiatry 41/4, S.378-385 | 
   
  
    | (19) | 
    Gottman, J.M.; Katz, L.F.; Hooven, C. (1997).
      Meta- Emotion. How Families Communicate Emotionally. Mahwah NJ:
      Lawrence Erlbaum Associates | 
   
  
    | (20) | 
    Baumrind, D. (1965). Parental control and
      parental love. In: Children 12, S.230-234 
      Baumrind, D. (1966). Effects of authoritative parental control on child
      behavior. In: Child Development 37/4, S.887-907 | 
   
  
    | (21) | 
    Eine Übertragung des Interviews ins
      Deutsche sowie eine Überarbeitung erfolgte 1999 durch 
      Schmidt, M.; Brinkmann, A.; Lukas, C.; Streif, J. (1999). Meta-Emotion-Interview.
      Erwachsene / Jugendliche. Interviewleitfaden - unveröffentlichtes
      Typoskript. München: Ludwig-Maximilians-Universität 
      Eine Übertragung des Meta-Emotion Coding System von Hooven, C.
      (1994) The Meta-Emotion Coding System. Coding Manual.
      Unveröffentlichtes Typoskript, erfolgte 1999 durch Streif, J.; Erweiterung
      und erste Anwendung in der Diplomarbeit von 
      Streif, J. (1999). Meta-Emotion: Emotionale Kommunikation in Familien
      mit hyperkinetischen Kindern. Diplomarbeit. München:
      Ludwig-Maximilians- Universität. | 
   
  
    | (22) | 
    Gottman,
      J.M.; Wilson, B.J. (1996). Attention – The Shuttle Between Emotion
      and Cognition: Risk, Resiliency, and Physiological Bases. In:
      Hetherington, E.; Blechman, E.A. (Hrsg.) Stress, Coping, and Resiliency
      in Children and Families. Mahwah NJ: Lawrence Erlbaum Associates, S.189-228.
      
       
      Vgl. auch (19) S.120f. | 
   
  
    | (23) | 
    Porges,
      S.W.; Raskin, D.C. (1969). Respiratory and heart rate components of
      attention. In: Journal of Experimental Psychology 81, S.497-503 
      Porges, S.W.; Walter, G.F.; Korb, R.J.; Sprague, R.L. (1975). The
      influence of methylphenidate on heart rate and behavioral measures of
      attention in hyperactive children. In: Child Development 46, S.727-733 
      Porges, S.W. (1991). Autonomic regulation and attention. In: Campbell, B.A.; Hayne, H.;
      Richardson, R. (Hrsg.) Attention and information processing in infants
      and adults. Hillsdale NJ: Lawrence Erlbaum Associates, S.201-223 
      Porges, S.W.; Doussard-Roosevelt, J.A.; Portales, A.L.; Suess, A. (1994). Cardiac
      vagal tone: Stability and relation to difficultness in infants and
      3-year-olds. In: Developmental Psychobiology 27, S.289-300 
      Degangi, G.A.; DiPietro, J.A.; Greenspan, S.I.; Porges, S.W. (1991). Psychophysiological
      characteristics of the regulatory disordered infant. In: Infant
      Behavior and Development 14, S.37-50 | 
   
  
    | (24) | 
    Eichlseder, W. (1996). Unkonzentriert?
      Hilfen für hyperaktive Kinder und ihre Eltern. 4. Aufl. Weinheim:
      Beltz, S.110 | 
   
  
    | (25) | 
    Barkley, R.A. (1997). ADHD and
      the Nature of Self-control. New York: Guilford Press, S.319 | 
   
  
    | (26) | 
    Bindungstheorie: 
      Bowlby, J. (1969) Attachment. Attachment and loss (1).
      London: Hogarth Press / New York: Basic Books 
      Bowlby, J. (1973) Separation: Anxiety & Anger. Attachment
      and loss (2). London: Hogarth Press / New York: Basic Books 
      Grossmann, Kl.E.; Grossmann, Ka.E. (2001). Bindungsqualität und
      Bindungsrepräsentation über den Lebenslauf. In: Röper, G.; von
      Hagen, C.; Noam, G. (Hrsg.) Entwicklung und Risiko. Perspektiven einer
      Klinischen Entwicklungspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer, S. 143-168 
      Antisozialisationshypothese: 
      
      Harris, J.R. (2000). Ist Erziehung sinnlos? Die Ohnmacht der Eltern.
      Hamburg: Rowohlt | 
   
  
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